Bisher gab es kaum Daten über psychische Auffälligkeiten bei Lernenden. Dabei ist die Lage bedenklicher als gedacht. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie aus Basel zu Nordwestschweizer Kantonen.
Gärtner, Köchin oder doch lieber eine kaufmännische Ausbildung? Die Berufsausbildung ist ein erster wichtiger Schritt ins Berufsleben. Sie stellt Jugendliche vor neue Herausforderungen. Und dies in der für viele ohnehin nicht einfachen Zeit der Pubertät. Während die Mehrheit damit gut klarkomme, gebe es eine nicht unerhebliche Gruppe, die in der Berufsausbildung Auffälligkeiten zeige, sei es disziplinarisch, leistungsbezogen oder im zwischenmenschlichen Kontakt. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie aus Basel, welche in beiden Basel, Solothurn, Aargau und Bern durchgeführt wurde.
Das Gesundheitsdepartement Basel-Stadt hat gemeinsam mit dem Kompetenzzentrum WorkMed der Psychiatrie Baselland und in Zusammenarbeit mit dem Bereich Mittelschulen und Berufsbildung BS, dem Gewerbe- und Arbeitgeberverband sowie der Stiftung Rheinleben im Frühjahr 2021 Berufsbildnerinnen und Berufsbildner der Deutschschweiz befragt. Thema: «Psychisch auffällige Lernende im Betrieb».
Lanciert wurde die Studie, weil es bis anhin kaum Daten gab, wie sich psychisch auffällige Lernende in der Ausbildung verhalten, wie sie aufgefangen werden und welchen Unterstützungsbedarf Verantwortliche für die Berufsbildung haben.
Die Befragungen wurden in der Deutschschweiz geführt. Im Umlauf waren über 9000 Fragebogen, teilweise beantwortet wurden rund 6500, ganz beantwortet rund 3000.
Nun liegen die Ergebnisse vor. Einerseits entwarnen sie: 41 Prozent der Lernenden schliessen ihre Lehre problemlos ab. Die Studie zeigt jedoch auch, dass 59 Prozent einen problematischen Lehrverlauf aufweisen. 33 Prozent von den Lernenden gelinge es, die Schwierigkeiten während der Ausbildung zu lösen, wahrscheinlich mit grossem Engagement aller Beteiligten.
Bei 26 Prozent bleiben die Probleme bis zum Schluss ungelöst.
In diesen Fällen erfolgt laut Studie in über einem Drittel (35 Prozent) ein Lehrabbruch. «Die übrigen zwei Drittel schliessen ihre Lehre zwar ab, es bleibt dabei jedoch offen, wie und ob sie den Einstieg ins Berufsleben schaffen», kommt die Studie zum Schluss. Und: 40 bis 50 Prozent der Lernenden mit Problemen seien zumindest vorübergehend wegen psychischer Probleme in Behandlung.
Die Studie zeigt weiter, dass Jugendliche von einem unterstützenden und funktionierenden familiären Umfeld, das Orientierung gebe, profitieren würden. «Zudem haben gute Freunde und eine aktive Freizeit einen deutlich positiven Einfluss auf den Lehrverlauf.»
Wie sich die Lernenden verhalten, sei ebenfalls sehr wichtig: Jugendliche, die sich an Regeln halten könnten, pünktlich und gut ins Team integriert seien, hätten eine grosse Chance für einen unproblematischen Lehrverlauf. Die Studie zeigt weiter auf:
«Lernende mit belastenden, wenig unterstützenden Familienverhältnissen, Suchtproblemen und fehlenden Basiskompetenzen haben es hingegen schwer, oft nicht erst seit Lehrbeginn.»
Je mehr Defizite Lernende hätten, desto höher sei das Risiko für Probleme in der Lehre. Einen besonders grossen Einfluss hätten Defizite im zwischenmenschlichen Bereich. Diese seien oft schon während der Schulzeit bekannt, die Informationen würden jedoch nicht weiter fliessen, was eine gezielte Unterstützung von Beginn weg verhindert.
Männliche Lernende zeigten in vielen Bereichen mehr Defizite auf als ihre weiblichen Kolleginnen. Allerdings hätten sie weniger Angst, Fehler zu machen. Männliche und weibliche Jugendliche unterscheiden sich gemäss Ergebnissen der Studie massgeblich bezüglich ihrer Defizite, jedoch auch im Umgang mit diesen.
Männliche Jugendliche seien eher passiv, suchten seltener professionelle Unterstützung und neigten zu übermässigem Konsum von Suchtmitteln wie Alkohol oder Cannabis. Weibliche Jugendliche würden Probleme häufiger ansprechen, hielten sich häufiger an Abmachungen und würden seltener Suchtprobleme aufweisen.
Berufsbildnerinnen und Berufsbildner fühlen sich gemäss Studie in vielen Bereichen ihrer Tätigkeit sicher; eine Ausnahme seien jedoch Themen rund um psychische Schwierigkeiten. Allgemein scheint gemäss Gesundheitsdepartement wenig Austausch stattzufinden, wobei Berufsbildnerinnen und Berufsbildner mit zunehmender Berufserfahrung sowie solche aus kleineren bis mittleren Unternehmen eher eine Zusammenarbeit mit Dritten wünschen. Aus der Studie geht aber hervor:
«Berufsbildnerinnen und Berufsbildner sind oft sehr engagiert und bieten viel Unterstützung.»
Gleichzeitig werde bei Schwierigkeiten häufig zu lange gewartet, bis externe Stellen beigezogen würden. Dabei verstreiche wertvolle Zeit für gezielte Unterstützung, während sich die Schwierigkeiten verstärkten und allenfalls chronifizierten.
Für die Zukunft ist gemäss Initianten der Studie eine Sensibilisierung und Befähigung durch mehr Wissen zum Thema psychische Gesundheit von Lernenden zu empfehlen. Gleichzeitig ist die Entwicklung von gut zugänglichen und spezifischen Angeboten für Berufsbildnerinnen und Berufsbildner erforderlich.