Martin Dürr ist evangelischer Pfarrer und Co-Leiter des Pfarramts für Industrie und Wirtschaft Basel-Stadt und Baselland.
Nein, wie die Zeit vergeht! Schon fast Oktober. Bald ist Weihnachten. Ausser das Fest wird dieses Jahr auch abgesagt; man weiss nie, in diesen merkwürdigen Zeiten. Jetzt ist der Moment für kluge Vorbereitungen gekommen. Kein Stress mehr wie in anderen Jahren, keine Panikkäufe am 24. Dezember kurz vor Ladenschluss. Ruhige, überlegte Planung und frühzeitiges Abfragen von Herzenswünschen sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein besinnliches, friedvolles Fest im Kreise der Liebsten.
Noch wichtiger ist vielleicht nur, was ich selbst mir zu Weihnachten wünsche. Geben ist seliger denn nehmen, heisst ein alter Spruch. Und ich möchte ja, dass meine Liebsten selig sind. Drum hier meine Wunschliste, in nächtelanger Arbeit aufs Wesentlichste gekürzt: Zuoberst steht ein selbstfahrendes Auto. Das würde ich so programmieren, dass es jeden Tag ohne mich im Pendler-Stau steht. Und weil es bald keine Parkplätze mehr gibt in der Stadt (hier ist empörtes Schnauben angesagt), würde mein selbst-fahrendes Auto die ganze Nacht im Kreis ums Quartier fahren.
Selbstverständlich ganz leise und nur mit Sonnenstrom. Wenn ich nachts nicht schlafen könnte, würde ich ihm eine SMS schicken und dann würde es bei der nächsten Vorbeifahrt fröhlich blinken. Und wenn mich jemand nervt, könnte ich ihn inklusive Auto mit einer SpaceX-Rakete in den Orbit schicken. Das hat Elon Musk mit seinem Auto auch schon gemacht. Da oben ist schon ziemlich viel Pendlerstau wegen all seiner Satelliten und anderen Weltraumschrotts.
Das All ist eine einzige Baustelle. Drum bleibe ich lieber zu Hause und nähre mich redlich. Dann hätte ich zweitens gerne einen Chip in meine Schutzmaske implantiert, der unablässig sendet: «Nein, ich habe keine Supercumuluskundentreue-Card», sobald ich einen Laden betrete. Ich verbringe viel Zeit mit Nachfragen, was der Kassier gemeint hat, weil seine Stimme schlechter durch die Maske dringt als die Viren. Mehr Zeit als ich früher mit Warten auf das Zurückdrehen der Wählscheibe beim Bakelit-Telefon verlor.
Meine These ist, dass wir mit jedem technischen Fortschritt irgendwann wieder gleich viel Zeit verlieren wie vor der genialen Erfindung. Drum wünsche ich mir ein Dumbphone; also eines, das nur telefonieren kann. Keine Apps; keine Chats mit Leuten, die immer «an alle» antworten; von mir aus sogar ohne Telefon-Funktion. Leute, die was wollen, können mir einen Brief schreiben oder vorbeikommen.
Ich bin nicht gegen Digitalisierung und Fortschritt. Ich bin enttäuscht von den Versprechungen der Digitalisierung und sehe oft mehr Rückschritt. Das liegt natürlich nicht an der Technik. Es liegt am Menschen. Dass 5G schädlich ist, sehe ich als bewiesen an, wenn ich mir anhöre, was die dagegen demonstrierenden Leute alles behaupten. Mein letzter Wunsch wäre, Weihnachten so wie früher in den Pfadi zu feiern. Frierend, mit zitternden Stimmchen ein Lied singen, eine Kerze, deren Wachs auf die Hand tropft und für Momente ist die Welt gut, wie sie ist. Und dann nach Hause, Geschenke auspacken.