Vor 75 Jahren, das Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Zeit der Angst und der Entbehrungen war vorbei. Nach und nach kam das Leben wieder in die Gänge. Barrieren öffneten sich. Schweizer, Deutsche, Franzosen, Österreicher fanden im Zentrum Europas zum regen Austausch von Gütern, Gedanken und Menschen zurück.
Bis zum europaweiten Ausbruch des Coronavirus im März 2020 blieben die Grenzen offen. Dank der Zusammenarbeit im Rahmen des Schengen-Abkommens gab es keine Kontrollen mehr. Vier Länder, ein Binnenmarkt. Bis das Virus kam.
Jetzt ist alles zu. Nur Menschen, die ennet der Grenze arbeiten, werden noch durchgelassen. Liebespaare, die nicht verheiratet sind, haben grösste Mühe, sich zu sehen. Entsprechend gross ist bei ihnen der Frust.
Eine deutliche Botschaft hängt am Grenzzaun zwischen Kreuzlingen und Konstanz.
© Michel Canonica
Doch nicht nur dort. Mittlerweile nimmt von Basel über Schaffhausen bis zum Bodensee das Unverständnis über die geschlossenen Grenzen zu. Wirtschaftsvertreter und Politiker aus Süddeutschland, der Schweiz und Österreich fordern die Regierungen in Berlin, Wien und Bern auf, die Grenzen aufzumachen. Noch stossen sie damit – zumindest im Ausland – auf taube Ohren. Insbesondere der deutsche Innenminister Horst Seehofer lehnt rasche Öffnungen ab.
Eine einseitige Grenzöffnung macht wenig Sinn, wenn auf der gegenüberliegenden Strassenseite die Schranken unten bleiben.
So nationalistisch die Staaten in der Krise anfänglich reagiert haben: Der Unmut in den Grenzregionen zeigt, wie stark wir mit den Nachbarn zusammengewachsen sind. Wirtschaftlich, kulturell, gesellschaftlich. Ein Wir-Gefühl macht sich breit. Kein Wunder: Mit Baden-Württemberg und Bayern hat die Schweiz ein grösseres Handelsvolumen als mit China. Jetzt, wo die Grenzen zu sind, merken wir, wie viel uns das offene Europa bringt.