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Ein Eishockey-Spielfeld. Oder fast doppelt so gross wie das Bourbaki-Panorama in Luzern. So gross ist die Fläche, die vom 20. bis 30. August von über 30 Graffiti-Künstlern gestaltet wird.
Es ist die Wand der Bell Schweiz AG an der Neudorfstrasse Richtung Euro Airport. Autolärm, leise Musik, Z’nüni auf dem bereitgestellten Bänkli, die Tochter eines Künstlers, die aufgestellt umhertappt und ihrem Papa bei der Arbeit zuschaut. Ruhig ist es hier, jeder geht konzentriert seiner Arbeit nach. Die Zeit drängt, am nächsten Tag sollten die drei grossen Flächen fertiggestellt sein.
Bereits 2016 gelangte der Verein Urbane Kunst Basel mit der Anfrage an die Bell AG, ob die rund 200 Meter lange, untere Fläche von Graffiti-Künstlern bemalt werden könne. «Oben an der grossen Wand hing damals noch ein Werbebanner. Im Herbst wurde dieses entfernt und man hat uns angefragt, ob das Interesse an der grossen Wand immer noch da sei», so Lukas Odermatt, Medienverantwortlicher des Vereins.
Die Chance liess sich der Verein nicht entgehen und kümmerte sich im vergangenen Jahr erstmals um die Organisation des «Change of Colours»-Events. «Wir wollten Künstler dabeihaben, die sehr farbig malen, um die graue Wand so richtig zum Leuchten zu bringen», so Odermatt. Die Künstler für die drei grossen Hauptwände habe der Verein nach Erfahrungswerten und Sympathie ausgewählt – und, dem Motto entsprechend, nach dem möglichst breiten Farbspektrum ihrer Arbeiten.
So sei die Wahl schnell auf Bustart und Mr. Cenz gefallen. Die dritte Wand sei für den amerikanischen Künstler Golden vorgesehen gewesen, den man dann aber coronabedingt nicht habe einfliegen können. Auch Kram, ein Künstler aus Spanien, habe absagen müssen, nachdem Spanien auf die Quarantäneliste gesetzt worden war.
Mit der finalen Lösung für die dritte Wand ist der Verein jetzt mehr als zufrieden, wie Lukas Odermatt bestätigt: «Wir haben dann spontan Bane und Chromeo angefragt und waren unheimlich froh, dass sie die ganze Woche Zeit hatten.»
Bane und Chromeo sind zwei Schweizer Künstler, die für ihren bestechenden Fotorealismus bekannt sind. Genau so entstand dann auch das Konzept für ihre Wand: In einem Blumengeschäft haben sich die beiden die passenden Blumen gekauft und ihre Bildvorlage abfotografiert. Das Resultat ist eine fotorealistische Spraydose, umgeben von einem farbenfrohen Blumenbouquet. Der Basler Künstler Bustart, der den linken Teil der Wand gestaltet hat, ist für seine bunten Motive bekannt. Von verschiedenen Comics und Pop Art inspiriert, gestaltet er Werke aus einem Mix verschiedener Stile, die er in seinen ganz persönlichen Kontext überträgt.
Aus England eingeflogen hat der Verein Mr. Cenz, einen international bekannten Streetartist, der ein Flair hat für kosmisch anmutende, selbstbewusst wirkende Frauenporträts in kräftig leuchtenden Farben. Mr. Cenzs Werke werden jedem Streetartinteressierten schon einmal begegnet sein, ob an einem Urban Art Festival in Basel oder in den Strassen Londons. Unterstützt wird er vom englischen Graffitikünstler Tizer.
Der «Change of Colours»-Event hätte eigentlich im Frühling stattfinden sollen, musste wegen der Corona-Pandemie dann aber auf den August verschoben werden. Das Motto passt im Spätsommer fast noch besser als vor einigen Monaten, denn gerade nach einer Zeit, in welcher sowohl das gesellschaftliche als auch das kulturelle Leben vorübergehend fast vollständig zum Erliegen gekommen sind, steht die Farbe sinnbildlich für das Weiterlaufen: «Wir bringen Farbe in den grauen Alltag. Sie ist ein Symbol für den Aufbruch nach einer schwierigen Zeit für alle», so der Verein.
Finanziert wird die Wandgestaltung von Bell. Die Firma hat dem Verein ein Budget zur Verfügung gestellt, mit welchem die Infrastruktur, Farben, die Künstler, Flüge, Verpflegung und weitere Ausgaben gedeckt werden konnten. Vorgaben für die Motivwahl der Künstler gab es keine, «einfach sexistisch, rassistisch oder sonst in irgendeiner Weise diskriminierend durften die Motive nicht sein», sagt Odermatt, «aber das ist ja klar.» Kritik habe der Verein nicht gross erfahren. «Es ist aus unserer Sicht auch keine Werbeaktion, da wir komplette künstlerische Freiheit genossen haben und die Wände entsprechend nach unseren Vorstellungen gestalten konnten.»
Zum Abschluss kommt der «Change of Colours»-Event an diesem Wochenende. Die drei grossen Kunstwerke können dann fixfertig bestaunt werden. Gleichzeitig werden 30 Künstlerinnen und Künstler aus der Graffiti- und Streetart-Szene die 200 Meter lange, untere Wand bemalen. Ein Schutzkonzept brauche es dafür nicht, schliesslich stehe ja jeder Künstler vor seiner eigenen, relativ grossen Wand. «Man kommt sich also nicht in die Quere», bestätigt Odermatt.
«Zuerst wollten wir einen grösseren Event mit Zeltständen organisieren. Wegen Corona haben wir das aber gecancelt, das wäre zu kompliziert geworden.» Die Jam ist unentgeltlich, nationale und internationale Grössen wie Boogie, Kron oder Tizer werden die bereits seit vier Jahren bemalte Wand mit neuen Kunstwerken schmücken. Ein Ausflug in die Basler Peripherie bietet sich an diesem Wochenende also an.