A-Cappella
Keiner schläft, alles singt: So vielstimmig klang die zweite Ausgabe der Basler Chornacht

1200 Sängerinnen und Sänger präsentierten am Samstag ein klingendes Schaufenster der Basler Chorszene. Punkten konnten besonders die neuen Formate wie das Singen an öffentlichen Orten.

Kathrin Signer
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Die zweite Ausgabe der Chornacht Basel verzeichnete 2200 Besuchende – dies trotz des parallel stattfindenden Gesangsfestes in Arlesheim.

Die zweite Ausgabe der Chornacht Basel verzeichnete 2200 Besuchende – dies trotz des parallel stattfindenden Gesangsfestes in Arlesheim.

Bild: Roland Schmid

Wenn nach acht Stunden des synchronen Einatmens und klingenden Ausatmens noch immer nicht die Luft raus ist, kann man wohl resümieren: Alles richtig gemacht. So werden am Samstag kurz vor Mitternacht weiter munter Kanons angestimmt, während Samuel Strub vom Balkon des Rathauses hinabsteigt, von wo er das gemeinsame Schlusslied dirigierte.

Der künstlerische Leiter der Basler Chornacht wirkt erleichtert: Auch die zweite Ausgabe kann man als Erfolg verbuchen. Und das trotz eines harzig anlaufenden Vorverkaufs und einer Terminkollision mit dem Gesangsfest des Chorverbands beider Basel, welches am selben Tag in Arlesheim stattfand.

Dennoch dürften diese Zahlen ein Rekord sein: Über 1200 Sängerinnen und Sänger aus insgesamt 34 Chören traten bei der Chornacht auf. Das ist mehr als die doppelte Anzahl an Teilnehmenden verglichen mit der Premiere im September vor zwei Jahren. Zuletzt spiegelte sich das auch in den Publikumszahlen: Allein mit den Abendkonzerten konnte man 2200 Eintritte verbuchen.

Ein Schaufenster für die Vielfalt der Chorszene

Das bedeutet auch: Das Publikum braucht Ausdauer und gutes Sitzfleisch. Denn diese Nacht beginnt schon, als die Septembersonne noch heiss auf den Beton knallt und 16 Chöre in rotierenden Kurzkonzerten die Basler Innenstadt besingen. Die Zuhörenden pilgern derweil in Kolonnen durch die Gerbergasse oder bleiben für einen Schwatz stehen. Sie wolle einem Chor beitreten, erzählt eine Baslerin, und kundschafte bei dem Anlass ihre Optionen aus. Der niederschwellige Zugang kommt gut an: «Viele können sich keine Tickets leisten. Musik soll für alle da sein», sagt eine Besucherin.

Ein Highlight ist für viele Besuchende der Vortrag des Ensembles Cantalon.

Ein Highlight ist für viele Besuchende der Vortrag des Ensembles Cantalon.

Bild: Roland Schmid

Der Jugendchor ATempo! und der Chor Vivo setzen die Messlatte hoch an: Die beiden Ensembles der Musikschule Basel wagen auch im Freiluftformat musikalische Nuancierung und liefern eine Textverständlichkeit, wie man sie in Grossbesetzung selten hört. Sogar die Dosierung des choreografischen Elementes hat man raus, wo gemeinhin die Devise gilt: Weniger ist mehr. Mit ebenso homogenem Ton schliesst der ChorBasel an, welcher unter dem engagierten Dirigat von Philippe Rayot auf Hörfälliges setzt.

Zwischen Polarlichtern und Alpenseufzen

Nicht grundlos nennen diverse Besuchende das junge Ensemble Cantalon als besonders bemerkenswert: Die Formation besticht mit einem klangschönen Ambitus und harmonisch komplexeren Arrangements.

Der Surprise Strassenchor animiert das Publikum zum Mitsingen.

Der Surprise Strassenchor animiert das Publikum zum Mitsingen.

Bild: Roland Schmid

Das Kontrastprogramm bieten die Mitglieder des Surprise Strassenchors als Antipoden des steifen Stehgesangs – schiefe Töne werden als Kollateralschaden in Kauf genommen, man frönt lieber der Sangeslust. Anstecken mag auch das Rambazamba des Basler Beizenchors. Das Wegbier ist da stets griffbereit, singt es sich mit ein paar Promille bekanntlich lockerer aus der Hüfte.

Der Basler Beizenchor singt sich auf dem Rümelinsplatz selbst ein Geburtstagsständchen.

Der Basler Beizenchor singt sich auf dem Rümelinsplatz selbst ein Geburtstagsständchen.

Bild: Roland Schmid

Insgesamt gibt es viel Schweizerdeutsches und viel Skandinavisches zu hören. Das inhaltliche Pendant: Polarlichter und Alpenseufzen.

Klangfetischismus und Opernschlager

Was in den Miniaturen nur angedeutet wurde, kann im ersten offiziellen Konzertblock ausgespielt werden. Bei pourChœur stimmt alles: Säuselnd und rauschend inszeniert sich das Ensemble im vollen Kirchenraum der Martinskirche, bildet einen Klangkörper, der sich so plastisch formen lässt, als sei er ein lebendiger Organismus. Klangfetischismus par excellence!

Akustisch weniger Glück hat das Ensemble Notabene, sollte sich doch eine Guggenmusik auf dem Claraplatz dazu entschliessen, jeder A-cappella Zauberei ein paar Trompeten beizusteuern. Welch Magie denn der Stille innewohnen kann, wenn man sie aushält, machen die Männerstimmen Basel in den impressionistischen Kompositionen Eric Whitacres vor.

Vielstimmig in die Nacht

Für den (vor-)letzten Akt der Chornacht vereint man die Kräfte. Sechs Ensembles stemmen im Kollektiv die Evergreens der Opernchöre im ausverkauften Stadtcasino. Es ist eine Gala der etwas anderen Art - zumal nur Orgel und Perkussion das Orchester substituieren. So fährt Organistin Babette Mondry zur Derniere des Orgelfestivals noch einmal alle Register des Instruments aus.

Die Mädchenkantorei (links und rechts) bejubelt den Stierkämpfer Escamillo in Bizets «Carmen».

Die Mädchenkantorei (links und rechts) bejubelt den Stierkämpfer Escamillo in Bizets «Carmen».

Bild: Kathrin Signer

Das ist so innovativ und cool, dass man sich wundert, warum man vorher noch nicht daran dachte, der Orgel einen Opernkittel überzuziehen. Unter wechselnder Leitung wird makellos musiziert - obschon es mehr nach mächtigem Konzert- als nach Opernchor klingt und das dementsprechend besser zu Mozart passt, als zu Puccinis «Nessun Dorma» (zu Deutsch: «Keiner schlafe»).

An Kondition mangelt es nicht: Um Viertel nach elf trifft man sich zum Schlusskanon vor dem Rathaus. Dann geht es vielstimmig summend in die Nacht.