Das Basler Orchester feiert seinen 70. Geburtstag mit dem türkischen Komponisten und Pianisten Fazil Say. Bemerkenswert: Das Collegium Musicum Basel kann ohne öffentliche Subventionen bestehen.
Ein Auftritt im «Goldenen Saal» des Wiener Musikvereins ist ein Ritterschlag für ein Orchester, vergleichbar mit der Teilnahme an den Olympischen Spielen für einen Athleten. Am 19. März 2022 ging dieser Traum auch für das Collegium Musicum Basel in Erfüllung. Die Schweizer Botschaft und der neue Hauptsponsor Bank CIC hatten den Auftritt möglich gemacht, und der Wiener Geiger Benjamin Schmid war der lokale Türöffner.
Albert E. Kaiser, der Gründer und langjährige Leiter des Orchesters, hat das nicht mehr erleben können. Der Operetten- und Theaterkapellmeister arbeitete ab 1951 am Theater Basel und gründete im selben Jahr mit den Musikern des Theaterorchesters das Collegium Musicum. Als Kaiser 1955 zum Fernsehen wechselte, konnte sein Orchester auch dort zahlreiche Projekte verwirklichen, ebenso wie bei den Mozart-Wochen in Interlaken, die Kaiser 1961 gründete.
Über 50 Jahre lang leitete Kaiser das Collegium und prägte damit eine Ära in der Pflege der Musik von Mozart bis zur Hochromantik. Erst 2004 trat mit Simon Gaudenz ein junger Dirigent in seine Fussstapfen und sorgte für eine Erneuerung im behäbig gewordenen Auftritt und für eine gewisse Erfrischung in der Programmierung. Kevin Griffiths setzte 2011 diesen Weg fort und wagte auch mal den Sprung über die Klassik hinaus in populäres Crossover-Repertoire.
Seit 2018 steht das Orchester unter der Leitung eines richtigen «Professors». Der Basler Johannes Schlaefli, 64-jähriger Dozent für Dirigieren an der Zürcher Musikhochschule, übernahm die Leitung und sieht seine wichtigste Aufgabe darin, den Stand der Spielkultur auch bei diesem Projektorchester, das nicht dauernd zusammen spielt, hochzuhalten.
Bemerkenswert an diesem Orchester ist, dass es seit 70 Jahren ohne öffentliche Subventionen bestehen kann. Ein breiter Gönner- und Freundeskreis einerseits macht dies möglich, andererseits hat man in all den Jahren konsequent auf das populäre Klassikrepertoire gesetzt und damit ein Stammpublikum gewonnen, das sich die Freude an den sinfonischen Filetstücken eher nicht durch Wagnisse und Experimente mit unbekannter oder gar neuer Musik verderben lassen will.
Wobei gerade das letzte Konzert in der Jubiläumssaison am 24. Juni diese Aussage relativiert: Auf dem Programm steht nämlich neben Tschaikowskys prächtiger «Romeo und Julia»-Musik auch ein neues Klavierkonzert von Fazil Say. Natürlich, der türkische Komponist und Pianist ist kein verschrobener Neutöner, seine Musik ist überaus farbig und illustrativ, bedient sich mit vollen Händen im Jazz und in der Volksmusik. In seinem Konzert mit dem Titel «Silence of Anatolia» spielt er nicht nur mit virtuosen Klaviergirlanden und dem Pathos des Tastentitanen, sondern auch mit dem Charme morgenländischer Melodien und den Rhythmen des Orients.
Damit nicht genug: Fazil Say lässt es sich nicht nehmen, seine Klavierkunst auch in einem der grossen Stücke des Pianorepertoires zu beweisen, im a-Moll-Klavierkonzert von Schumann. Erwarten darf man eine eigenständige bis eigenwillige Interpretation des Konzertsaal-Klassikers von diesem 52-jährigen Pianisten, der sich auch nie scheut, sich mit voller Kraft einzubringen und auch die körperliche Anstrengung des Auftritts sichtbar werden zu lassen.
Konzert: Musik von Weber, Schumann, Say und Tschaikowsky. 24. Juni, 19.30 Uhr (Vorkonzert 18.15 Uhr mit dem Jugendorchester «first symphony»). Stadtcasino Basel.
www.collegiummusicumbasel.ch