Klar, im Boden wuseln die Würmer und kriecht allerlei Getier. Doch wie tönt das eigentlich? Antwort darauf gibt die Klang-Erlebnis-Ausstellung «Erde» in der Oberen Mühle in Oltingen.
Am Anfang steht der Dreck. Oder etwas vornehmer ausgedrückt: die Erde. In ebendiese wurde in Oltingen ein hochsensibles Aufnahmegerät gesteckt in der Absicht, die vermeintliche Stille im Boden hörbar zu machen. Die auf diese Weise der Erde abgetrotzten Klänge sind nun als Soundinstallation in der Oberen Mühle in Oltingen zu hören.
An drei Audiostationen lassen sich nun Ameisen, Tausendfüssler, Regenwürmer und Springschwänze dabei belauschen, was Ameisen, Tausendfüssler, Regenwürmer und Springschwänze halt so tun. Doch ob sie nun gerade einen Gang graben, ein Festmahl vertilgen oder sich kopulierend die Zeit vertreiben – das lässt sich den Erdklängen nicht so leicht entlocken. Ergänzt wird das Akustische durch Informatives rund um den Lebensraum Boden und Wissenswertes zu dessen zahllosen Bewohnern.
Dass nun die Erde Inhalt und Namensgeber dieser Ausstellung ist, gründet nicht allein in der Faszination für das Irdene respektive deren akustische Unerschöpflichkeit. Sie repräsentiert auch den ersten Viertel eines Vier-Elemente-Zyklus, den Wasser, Luft und Feuer komplettieren werden. Während die Luft und das Feuer noch in Planung sind – sie werden als einzelne Anlässe im Herbst durchgeführt –, geht es am 28. August 2021 mit dem Wasser weiter.
Die Mischung aus Kunst und Wissenschaft, die in der Erde ihren Ursprung nimmt, setzt sich im Wasser fort. Auf dem Spaziergang, der natürlich zu Tümpel, Bach und Pfütze führt, werden sich die Erwachsenenmärchen von Erzählerin Ines Henner mit Klanginstallationen von Fidelio Lippuner verbinden. Dieser ist nicht nur der kreative Kopf hinter der Ausstellung, sondern auch eine Art geistiger Vater der Oberen Mühle, wie sie heute daherkommt. 1281 erstmals urkundlich erwähnt, wurde die Mühle abgerissen und neuaufgebaut, verlotterte, wurde ihres Mühlrades beraubt, zweckentfremdet und nunmehr renoviert.
So entstand aus den Gemäuern, hinter denen einst Korn zu Mehl zerstäubte, eine Art rurales Mehrspartenhaus, eine Assemblage aus Kunstgalerie, Museum, Atelier, Wohnhaus, Werkstatt, Seminarhotel und Bed and Breakfast. Die eigens gegründete Genossenschaft, die dahintersteckt, bespielt die Mühle nicht nur mit viel Herzblut; sie ist auch Eigentümerin des historischen Komplexes.
Fidelio Lippuner ist derweil nicht nur für das kulturelle Programm verantwortlich; er wohnt auch im Dachstock des Mühlengebäudes. Wenn er morgens zur Arbeit geht, öffnet er die Ausstellung, wenn er abends zurückkehrt, schliesst er wieder zu, der Eintritt ist frei. «Uns war es wichtig, eine Ausstellung zu schaffen, die sich zeitlich unabhängig besuchen lässt.» Was, Pandemieeventualitäten im Hinterkopf, von grosser Bedeutung sein kann.
Lippuners Antrieb ist nicht nur die bereits erwähnte Verschmelzung von Kunst und Wissenschaft respektive die Bespielung der Oberen Mühle als Ort der Begegnung: «Wir wollen auch sensibilisieren.» Dass der Boden unter unseren Füssen keine tote Materie ist, sondern vor Leben nur so strotzt; dass es diesem Leben aber mitunter zünftig an den Kragen geht, Stichworte Bodenverdichtung, Zersiedelung, Pflanzenschutzmittel.
«Der Boden braucht unsere Aufmerksamkeit», sagt Lippuner darum – und ergänzt: «Die Umwelt braucht unsere Aufmerksamkeit.» Denn eigentlich behandle sie der Mensch ja irgendwie wie Dreck, gibt er zu bedenken. Und darum steht der Dreck am Anfang. Und somit auch am Ende.
Vier-Elemente-Zyklus, Teil 1: Erde, Klang-Ausstellung, Obere Mühle, Oltingen,
bis 15. August täglich von 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei, Kollekte. www.oberemühleoltingen.ch