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Junge Autorinnen und Autoren präsentieren an einer Lesung im Treppenhaus der Kunsthalle einen neuen literarischen Reiseführer für Basel. Er trägt den klingenden Titel «Der Ort, in dem ich leben will, wenn ich nicht in einem Bob-Dylan-Lied leben kann»
So voll wie am Samstagabend war der Eingangsbereich der Kunsthalle wohl kaum je. Eine Frage beschäftigte die Menge im Kunsthalle-Treppenhaus: «Warum Basel?» Die Antwort gibt das Buch «Der Ort, in dem ich leben will, wenn ich nicht in einem Bob-Dylan-Lied leben kann», das an diesem Abend Vernissage hatte. Das Buch ist ein literarischer Reiseführer für Basel, herausgegeben vom Literaturmagazin «Das NaRr». 15 junge Autorinnen und Autoren haben dazu beigetragen.
Andächtig lauschte das Publikum den Texten aus dem Literaturführer. Moderiert wurde die Lesung von Daniel Kissling, Gründungsmitglied und Mit-Herausgeber des «NaRr». Seine Ansagen waren witzig, zerfasern aber manchmal. Das machte die Sache authentisch. Aber der Abend gehörte den Autorinnen und Autoren. So las Noëmi Lerch eine Geschichte über Entfremdung, Nähe und Verlust. Sie trug sie mit der ungekünstelten Intimität einer Küchenlesung vor, als wären da keine sechzig Zuhörer. Diese folgten ihr wie gebannt auf den Wolfgottesacker, wo Abschied und Neuanfang im Regen verschwimmen.
Adam Schwarz lud zur paranoischen Panoramafahrt im 10er, der längsten Tramlinie Europas. Die dem Text nachgestellten, hervorgehobenen Infoseiten betonen indes, dass der 10er nicht einfach die längste Tramlinie Europas ist, sondern die längste internationale Tramlinie Europas. So endet die Geschichte in Goethes Elsässer Wirtshaus.
Der Abend ist keine Wasserglas-, sondern eine Bierflaschenlesung. Es geht Glas zu Bruch. Halb so wild: Literatur schnauft und schwitzt und schillert. Aber müssen die Scherben mitten in der Lesung weggewischt werden? Doris Wirth lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Sie liest weiter, berichtet, wie lange es dauert, «bis die Buchstaben wieder nur Buchstaben sind, vom Sinn befreit». Ein schöner Satz.
Der schönste Satz des Abends aber kommt von René Frauchiger: «Basel, die Stadt mit den meisten Sonnentagen der Schweiz, hat etwas Höllenhaftes.» – Seine Geschichte geht runter wie Vieille Prune, hat deren anfängliche Süsse und den Schmelz des Abgangs. Hochprozentiger Humor, der lustvoll die Grenzen zwischen Geschichte (Fakten) und Geschichten (Fiktionen) auslotet.
Die Lesung präsentiert einen spannungsreichen Einblick in momentanes literarisches Schaffen, macht Handschriften deutlich und vieles vom Drumrum der Literatur. Der Reiseführer ist wunderschön gestaltet. Er kombiniert literarische Texte und Hintergrundinformation zu Leseleckerbissen. Einige Geschichten setzen in Basel aber etwas mechanisch in den Hintergrund. Trotzdem beantworten Lesung und Reiseführer die Frage «Warum Basel?» mit Leidenschaft: «Weil Literatur!»