Goetheanum
«Peer Gynt» als kraftvolles, grossartiges Jugendstück

Jugendtheater wird oft unterschätzt. Die Junge Bühne bot mit Henrik Ibsens «Peer Gynt» eine dramaturgische wie schauspielerische Glanzleistung.

Thomas Brunnschweiler
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Peer Gynt (Flamur Blakaj) treibt schiffbrüchig auf dem Meer. Christoph Weisse

Peer Gynt (Flamur Blakaj) treibt schiffbrüchig auf dem Meer. Christoph Weisse

Christoph Weisse

Als nach dem fünften Akt das Licht erloschen war, blieb es kurz ruhig. Dann setzte frenetischer Beifall ein. Die Ensembleleistung der 17 jungen Schauspielerinnen und Schauspieler war so homogen und überzeugend, dass die Nennung einzelner Namen ungerecht wäre.

Regisseurin Andrea Pfähler hat die Übersetzungen von Morgenstern, Botho Strauss und Peter Stein als Grundlage genommen und modifiziert. Ibsens dramatisches Gedicht «Peer Gynt» von 1887 basiert auf einem norwegischen Feenmärchen. Es ist die Geschichte eines Hochstaplers, der Kaiser der Welt werden will. Seine Reise durch Zeit und Raum führt ihn zu den Trollen, nach Amerika, Marokko und Ägypten. Stets sucht er sich selbst, wird zum Troll, zum Selfmademan, zum Sklavenhändler, zum Propheten. Schliesslich landet er als Archäologe in einem Irrenhaus. Am Ende merkt Peer Gynt, dass sein Leben einer Zwiebel gleicht, die keinen Kern hat und in lauter Schalen zerfällt. Allein im Herzen der treuen Solveig ist seine Identität bewahrt.

Bewundernswerte Leistung

Andrea Pfähler weiss die Möglichkeiten des Stücks für ihre quirlige, zwischen 15- und 19-jährige Crew zu nützen. Torsten Blanke schreibt im Programmheft zu Recht: «Peer Gynt ist ein Jugendstück: kraftstrotzend, ideenreich und gewissenlos jagt der Held durch die Ereignisse seines Lebens.» Ähnlich wie Goethes «Faust» ist auch Ibsens Stück ein Individuationsdrama, aber im Gegensatz zu jenem kann man es temporeicher und bunter inszenieren. Mit minimalem Bühnenbild wird maximale Wirkung erzielt. Eine schiefe Ebene – durchaus symbolhaft – ermöglicht statische Bilder wie auch die Illusion von Wanderschaft, wenn sich das Podium dreht. Fast unheimlich sind die durch raffinierte Lichtführung ermöglichten schlagartigen Personenauftritte. Eine Live-Band sorgt für stimmige Untermalung, zu der auch Melodien aus der Peer-Gynt-Suite von Edvard Grieg gehören. Mehrfachrollen, rasches Umziehen und Schminken erfordern vom Ensemble grosse Konzentration und Flexibilität. Bewundernswert neben der gepflegten Diktion sind auch Textsicherheit, Timing, Agilität und körperliche Präsenz der Jugendlichen.

Die Tatsache, dass sich vier Peer Gynts auf der Bühne bewegen, entspricht der Logik der Figur und wirkt nicht störend. Andrea Pfähler versteht es, Realität und Märchenwelt, Tiefsinn und Humor, Spiritualität und Erotik, Folklore und Exotik sowie Tempo und meditative Momente zu verbinden. Der Wechsel von Sprechtheater, Tanzchoreografien, Musicalelementen und der Einsatz aller Theatereffekte lassen keine Sekunde Langeweile aufkommen.

Eines der stärksten Bilder ist die Szene im Irrenhaus, die den Jugendlichen körperlich und rhythmisch alles abverlangt. Der reizende Kinderchor Cantorka unter Georg Walter ist das Tüpfelchen auf dem i. Nach der Premiere tönte aus der Garderobe ein vielstimmiges «We are the Champions of the World». Und man konnte dieses momentane Lebensgefühl der jungen Schauspielerinnen und Schauspieler durchaus nachvollziehen.

Es ist kein Zufall, dass die Junge Bühne den ersten Platz beim Jugendprojektwettbewerb des Kantons Solothurn 2015 in der Kategorie Institution gewonnen hat.

Peer Gynt. Weitere Aufführungen am 9. und 10. September um 20 Uhr und am 11. September um 16 Uhr. www.junge-buehne.ch