Die Gruppe Junges M zeigt ihre neuste Zusammenarbeit im Neuen Theater in Dornach. Leiterin Sandra Löwe setzt dabei auf Ernsthaftigkeit und Authentizität.
Es ist sechs Uhr, zwei Stunden vor Vorstellungsbeginn, als die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von Junges M im Foyer eintrudeln. Sie begrüssen sich freudig, herzen sich und fangen an sich konzentriert vorzubereiten.
Die Regisseurin Sandra Löwe sitzt entspannt daneben, ermahnt hin und wieder jemanden weiterzumachen, ansonsten bleibt es den Jugendlichen überlassen, ihre Vorbereitung zu bestimmen.
«Ich versuche sehr, sie wahrzunehmen», sagt Löwe. «Wir begegnen uns auf Augenhöhe.» Entsprechend bestimmen die Teilnehmenden selbst, welches Stück, welches Thema sie aufführen möchten, Löwe leitet sie dabei nur an. «Wenn sie etwas machen möchten, zeige ich ihnen, wie es gehen kann und wie viel Übung es dafür brauchen wird», sagt sie. Einzig bei der Ästhetik redet sie ein grosses Wörtchen mit. «Damit sie dem Niveau der Aufführung entspricht», lacht sie.
Seit zehn Jahren entsteht so ein Stück mit bis zu fünfzehn Jugendlichen. Wer bis zum Schluss dabei bleibt, kann auch mitspielen. «Ich komme nicht daher», sagt Löwe, «und caste Leute für ein bestimmtes Stück». Auch gibt es keine Anwesenheitspflicht, Engagement ist gefragt – nicht rein physische Präsenz.
So entstehen auf der Basis von gegenseitigem Respekt, gepflegter Urteilslosigkeit und Mündigkeit die unterschiedlichsten Projekte. «Einmal wollten sie Zarathustra von Nietzsche machen, da gehörte dann halt auch Philosophie-Unterricht dazu.» Und dabei habe sie selbst auch einiges gelernt. Oder für Siddhartha: Da hätten sie sich intensiv mit Indien beschäftigt.
Im Zentrum des Ganzen steht aber die Pflege der Sprache. Sie spielen auf Hochdeutsch – nicht im Dialekt wie viele andere Jugendtheater. Aus der Leidenschaft für Sprache hat Löwe das Sprachhaus M gegründet und daraus ist Junges M entstanden. «Die gesprochene Sprache wird heutzutage nicht gepflegt, im Gegensatz zur geschriebenen Sprache», sagt sie «und zur gesprochenen Sprache gehört auch die Stille, die Poesie».
Für das aktuelle Stück sind sie unter anderem in den Genuss von Yoga-Training gekommen. Alles, was erprobt wird, geschieht ernsthaft. Das merkt man, wenn man mit den Jugendlichen spricht. Fragen beantworten sie sehr gewissenhaft und äusserst reflektiert. Es ist viel von Freiraum, von geschütztem Raum, Intimität und Vertrauen die Rede. «So wie die Kunst in der Gesellschaft, ist Junges M für uns eine Möglichkeit, alles auszudrücken», sagt Tobias Schaller. «Alltag ist das Gegenteil», ergänzt Jessica Naef.
Aber inwiefern beeinflusst das Theater, das Spielen, ihr anderes, normales Leben? Wenn das Theater ein Zufluchtsort ist, kann da überhaupt etwas nach aussen dringen? Ils Van Loovren: «Wir arbeiten so tiefgründig, dass es tatsächlich einen Einfluss hat auf den Alltag, auf die Persönlichkeitsstruktur.» Mayra Bosshard: «Alles, was man mit Bewusstsein macht, beeinflusst einen nachhaltig.» Oder ganz einfach: «Jeder Schritt, den man auf eine Bühne macht, ist eine Stärkung des Selbstbewusstseins», sagt Tobias.
Wenn man Ihnen so zuhört, kriegt man fast das Gefühl, in einer verschworenen Gesellschaft gelandet zu sein, und dieses Gefühl brauchts sicherlich auch, um so gemeinsam auf der Bühne stehen zu können. Ernsthaftigkeit wäre vielleicht das bessere Wort; und Wahrhaftigkeit. Der Begriff fällt öfter. Denn mit Wohlfühl- und Vernunft-Theater hat das, was sie danach auf die Bühne bringen nichts zu tun. «Youth – containing dreams No 2» ist eine Mischung aus Spielszenen, Choreografien, Erzählung und Biografie-Schnipseln, die berühren, teilweise verstören und auch unterhalten.
«Eure jungen Menschen brüllen euch zu: Es muss einen besseren Weg geben», rufen sie im Chor. «Es ist jedem Einzelnen überlassen, wie er sich ausdrücken möchte», erklärt Löwe. So arbeiten die einen mit Worten, andere mit Bewegungen, wieder andere Schreien. Doch so unterschiedlich die Formen und Anliegen sind, so gemeinsam werden sie in der Gruppe verkörpert. Das macht Eindruck, weil sie sich nicht verstecken.
Allerdings bleibt bei dieser offenen und persönlichen Anlage die Frage, ob es sie selbst sind, die da auf der Bühne stehen, oder doch eher ihre Rolle? Darin sind sie individuell. Ils bejaht dies vehement – Mayra sieht sich klar in einer Rolle. Es gibt kaum etwas verletzenderes, als seine intimsten Träume und Gedanken so nach aussen zu tragen und dann auf Ablehnung zu stossen. Doch wenn eine Gruppe unter kundiger Leitung diesen Weg gemeinsam geht, kann Grosses entstehen.
«Youth – containing dreams No. 2» Weitere Vorstellungen: 4./5. März, 20 Uhr;
6. März, 18 Uhr, Neues Theater am Bahnhof. www.sprachhaus.ch