Falls Sie vor einigen Tagen gelesen haben, dass jemand Goldbarren im Wert von rund 182'000 Franken in einer Tragtasche in der Bahn liegengelassen hat, haben Sie bestimmt gestaunt. Wie ich auch. Zum einen, weil es eher unüblich ist, sich mit einem solchen Sackinhalt im öffentlichen Raum zu bewegen. Zum anderen aber, weil Sie sich nicht vorstellen können, dass ein Gegenstand mit einem derart enormen Wert einfach vergessen werden kann. Vermutlich sind Sie nach einigen wenigen Gedanken zum Schluss gekommen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann. Um Licht ins Dunkle zu bringen, hier nun das, was dahintersteckt, also die wahre Geschichte.
Dass der öffentliche Verkehr während der Corona-Zeit beinahe zum Erliegen gekommen ist und deshalb mit riesigen Einbussen finanzieller Art kämpft, haben Sie mitbekommen. Sie haben auch gehört, dass die Entscheidungsträger dieser Betriebe in Bern vorstellig geworden sind, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen. Nach eingehenden Beratungen hat der Bundesrat dann beschlossen, den arg gebeutelten Verkehrsbetrieben satte 800 Millionen zukommen zu lassen.
Natürlich hat man sich dann sofort überlegt, wie man diesen Batzen sinnvoll einsetzen kann. Was eine genaue Analyse der jetzigen Situation erfordert. Den Chefetagen wurde schnell klar, dass man nur dann wieder schwarze Zahlen schreiben kann, wenn all die Kunden, die aus einer gewissen Ansteckungsangst heraus aufs Auto gewechselt haben, wieder zurückgewonnen werden können. Aber wie? Die Lösung liegt auf der Hand: Es muss einen Anreiz geben, sich wieder ins Gewühl des Stossverkehrs zu stürzen. Einen Grund, der stärker ist als der Respekt vor dem Virus.
Deshalb wurde die gesprochene Unterstützung in Goldbarren investiert, die in den Zügen deponiert werden. In Kürze wird eine Werbeaktion mit dem Slogan gestartet: «Fahre Zug – werde reich!»
Das eingangs erwähnte Missgeschick mit der Tragtasche war also gar kein Missgeschick, sondern der Pilotversuch, der denn auch bestens geklappt hat.
Martin von Aesch
Er ist Autor und Musiker. Er lebt in Schlieren.
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