Schäferstündchen
Das Geschwätz von gestern

Tobit Schäfer*
Tobit Schäfer*
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Symptomatisch für die Basler Kulturpolitik: Es soll über Staatsbeiträge von jährlich 7,6 Millionen Franken für das Sinfonieorchester Basel beschlossen werden, ohne dass zugleich Klarheit geschaffen wird, wie es mit der Programmförderung für alle anderen Orchester weitergehen soll.

Symptomatisch für die Basler Kulturpolitik: Es soll über Staatsbeiträge von jährlich 7,6 Millionen Franken für das Sinfonieorchester Basel beschlossen werden, ohne dass zugleich Klarheit geschaffen wird, wie es mit der Programmförderung für alle anderen Orchester weitergehen soll.

Sinfonieorchester Basel/Benno Hunziker

Im Jahr 2017 hat Basel-Stadt pro Einwohnerin und Einwohner 642 Franken für die Kultur ausgegeben, total 127,8 Millionen Franken. 2012 waren es noch 118,1 Mio. Franken gewesen. In den vergangenen fünf Jahren sind die Kulturausgaben um 8,2 Prozent gestiegen – und sie werden in den kommenden Jahren weiter steigen.

Bereits beschlossen wurden zwei Millionen Franken mehr für das Kunstmuseum Basel ab 2019. Bereits beschlossen wurden ausserdem 0,8 Millionen Franken mehr für das Staatsarchiv Basel-Stadt ab 2024 und 1,2 Millionen Franken mehr für das Naturhistorische Museum Basel ab 2025. Beides unter der Voraussetzung, dass die Stimmbevölkerung die 211,9 Millionen Franken für den Neubau der zwei Kulturinstitutionen gutheisst.

Viele gute Gründe sprechen dafür, dass Basel-Stadt, wo kultureller und wirtschaftlicher Aufschwung stets eng verknüpft waren, seine Kultur gebührend fördert – seine Kulturinstitutionen mit jahrhundertealter Tradition wie auch seine Künstlerinnen und Künstler mit innovativen Initiativen. Den schlechtesten Grund hat Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann vor ein paar Monaten in der Sendung «Kulturplatz» genannt: «Zum Glück haben wir im Moment die finanziellen Mittel.»

Vordringlich ist jedoch die Frage, wie der Kanton seine Kultur fördert. Obwohl der Regierungsrat 2012 ein 91-seitiges Kulturleitbild veröffentlicht hat, fehlt bis heute eine nachvollziehbare Strategie, mittels der man sich einen verbindlichen Überblick verschaffen könnte. Vielmehr scheinen die Verantwortlichen an einer Gesamtschau gar nicht interessiert zu sein, sondern folgen stur der Devise «Teile und herrsche», die König Ludwig XI. dem Listigen zugeschrieben wird.

Symptomatisch dafür sind zwei Geschäfte, die derzeit in der grossrätlichen Bildungs- und Kulturkommission beraten werden. Zum einen soll über Staatsbeiträge von jährlich 7,6 Millionen Franken für das Sinfonieorchester Basel beschlossen werden, ohne dass zugleich Klarheit geschaffen wird, wie es mit der Programmförderung für alle anderen Orchester weitergehen soll. Zum anderen sollen die Staatsbeiträge für das Theater Basel um 0,6 Millionen Franken auf jährlich 41 Millionen Franken erhöht werden, obwohl der Regierungsrat vor zwei Jahren in Aussicht stellte, sie zugunsten der Kaserne Basel um 0,5 Millionen Franken zu kürzen: «Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.»

Angesichts dieser seit Jahren gepflegten Hü-Hott-Politik ist verständlich, dass
das Vertrauen in die Verantwortlichen erodiert. Immer lauter beklagen sich Grossrätinnen und Grossräte und drohen mit Konsequenzen. Bisher haben sie ihren Worten keine Taten folgen lassen. Sollte das aber dereinst geschehen, werden nicht der Regierungsrat oder die Verwaltung die Leidtragenden sein, sondern die Kulturinstitutionen, die Künstlerinnen und Künstler. Deshalb sollten die Verantwortlichen sich dringend den Rat von Johann Wolfgang von Goethe zu Herzen nehmen: «Entzwei und gebiete! Tüchtig Wort. Verein und leite! Bessrer Hort.»

*Tobit Schäfer arbeitet als Strategie- und Politikberater. Zudem engagiert er sich ehrenamtlich in verschiedenen Kulturinstitutionen. Während 13 Jahren politisierte er für die SP im Grossen Rat.