Basler Kommentar
Die kleinen Extras, die den Sommer am Mittelmeer angenehm machen

Wer packt den kleinsten Koffer? Die Kolumnistin versucht den Männerwettbewerb für sich zu gewinnen und denkt nach über Italien als Ziel von Touristen und Flüchtlingen. Der Basler Kommentar von Andrea Elisabeth Knellwolf.

Andrea Elisabeth Knellwolf
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Für die Bahnreise versucht auch Frau einen möglichst kleinen Koffer mitzunehmen. (Symbolbild)

Für die Bahnreise versucht auch Frau einen möglichst kleinen Koffer mitzunehmen. (Symbolbild)

Keystone

«Aber schon sicher kommen die mit!», entrüstete sich mein Schmidtsi, als ich meine Augen von seinem Rucksack zu den Mega-XXL-Profi-Flossen abschätzend hin und her wandern liess. «Nur weil wir dieses Mal den Zug nehmen, muss ich am Meer doch nicht auf meine besten Flossen verzichten!» Ich fühlte in mir diesen ganz speziellen Cocktail aus unterschiedlichen Gefühlen hochsteigen, den nur mein Schmidtsi heraufbeschwören kann: Fassungslosigkeit (über die wahnwitzige Idee, diese Riesenteile einpacken zu wollen), ehrliche Bewunderung (für die jährlich aufs Neue bekräftigte Treue und Hingabe zu diesen 15 Jahre alten Taucher-Flossen) und Sorge (um das Wohlergehen der Mitreisenden, denen die aus dem Rucksack ragenden scharfen Ecken der Flossen Augen ausstechen, Wunden reissen und Zähne einschlagen würden).

Die beiden kleinen Schmidtsis hatten - mit wochenlanger Zermürbungstaktik und etwas Schützenhilfe meinerseits - ihren Papa dazu gebracht einzuwilligen, dieses Mal nicht mit dem Auto, sondern mit der Bahn ans Meer zu fahren. Erst als es schon zu spät war, merkte er, dass dies keine unbeschwerte Zugfahrt im klimatisierten Grossraumwagen bedeuten würde, sondern 1er-Tram ab Burgfelderplatz, Cisalpino durch den Gotthard, Freccarossa-Schnellzug (sind die reservierten Sitzplätze wirklich frei?), banges Umsteigen in Genua, Bus nach Piombino und dann die Fähre. Und dann noch das Taxi zum Dörfchen am Mittelmeerstrand.

Zugegeben, diese Erkenntnis erwischt auch die Bahnfahrer-Fraktion etwas unvorbereitet und löste einen heimlichen Wettbewerb aus, wer wohl mit dem kleinsten Gepäckstück für diese Ferienwochen auskommen würde. Aber die drei männlichen Familienbestandteile nahmen den stillen Konkurrenzkampf ziemlich gelassen, sobald sie begriffen hatten, dass da ja auch noch eine Frau mit am Start war und es damit schon mal klar schien, dass es sicher nicht sie sein würden, die den peinlichen Riesenkoffer hinter sich herziehen. Also stapelte ich meine gesammelten Miniatur-Döschen, die extraklein zusammenfaltbare Regenjacke und das Strandtuch aus feinster Mikrofaser heimlich in einer Ecke und feilte über mehrere Tage hinweg immer wieder an der idealen Packtechnik. Als das Mückenspray in der Taucherbrille versenkt und, das Bikini in die Kaffeetasse gestopft war, passte schliesslich alles auf wundersame Weise doch noch in meinen kleinsten Flugzeug-Trolley.

Und mit etwas Schwung, dem nach der letzten Diät noch verbliebenen Körpergewicht und minutenlanger Hartnäckigkeit ging dieser sogar noch zu. Ganz klar: Der Triumph gehört mir! Und meine Kreditkarte stecke ich locker noch ins Seitenfach. Für die vielen kleinen Extras, die den Sommer am Mittelmeer noch angenehmer machen.

Vor ein paar Tagen gab Renata Gäumann von der Basler Flüchtlingskoordination Auskunft über den Grund für die rückläufige Zahl der Asylgesuche: Wegen des schlechten Wetters im Frühsommer hätten weniger Flüchtlingsboote als sonst zu dieser Jahreszeit das Mittelmeer überqueren und das schützende europäische Festland erreichen können, aber das würde sich nun ändern.