Nota Bene
Leute, ihr könnt mich mal!

Benedikt Lachenmeier
Benedikt Lachenmeier
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Anders sein: An der Art trifft man auf viele Menschen, die ihre Individualität nach aussen tragen.

Anders sein: An der Art trifft man auf viele Menschen, die ihre Individualität nach aussen tragen.

GEORGIOS KEFALAS

«Sie hän aber e härzigi Tochter», sagte eine ältere Dame einmal zu meiner Mutter. Damals, als 14-Jähriger, fand ich diesen Kommentar nur mässig lustig. Denn gemeint war ich. Ich hatte lange Haare, vielleicht sah ich deshalb ein wenig aus wie ein Mädchen. Wenn man sich denn wie diese gute Frau von seinen trüben Augen täuschen liess. Ein Missverständnis, über das ich heute nur lachen kann. Unmissverständlich hingegen war die Aufforderung aus den Reihen meiner Mitschüler. «Schniid ändlich die Hoor ab», hiess es immer wieder. Einmal klebte mir einer sogar einen Kaugummi in die Haare. Von dir lasse ich mir gar nichts sagen, dachte ich, ging nach Hause und bürstete mir die klebrige Masse in minutenlanger Präzisionsarbeit wieder raus. Nur nicht abschneiden, lautete meine Devise. Am nächsten Tag staunte man nicht schlecht. Von da an wussten alle: Der meint es ernst.

Anders sein. Das war mir wichtig damals. Leute, ihr könnt mich mal. Ich ziehe mein eigenes Ding durch. Denkt doch, was ihr wollt. Lasst mich in Ruhe und nehmt euch verdammt nochmal nicht so wichtig. Ich mache ja auch niemandem Vorschriften. Mein eigenes Ding ziehe ich heute immer noch durch. Ich versuche, als Selbstständiger meine Unabhängigkeit zu leben. Glücklicherweise geht das auch als Familienvater. Alles eine Frage des Willens und der Organisation. Auch der Papitag muss drin liegen. Viele Väter sagen ja, sie müssten 100 Prozent arbeiten. Weil es halt nicht anders geht. So ein Mist. Konventionen sind mir echt ein Gräuel.

Äusserlich bin ich angepasster als früher. Mit meinem nach hinten gekämmten Frisürli bin ich nicht der Einzige, wenn ich mich auf der Strasse so umsehe. Aber Style muss sein. Eine Wuschelfritte käme mir nicht ins Haus. Das ist sozusagen meine eigene Konvention. Aber was soll das ganze Gerede über Frisuren, Style und Anderssein, fragen Sie sich bestimmt. Die Art ist wieder in der Stadt. Und mit ihr die Leute, die ebenfalls nicht vor dem Anderssein zurückschrecken.

Beim Spaziergang am verregneten Pfingstmontag entdeckte ich unter den Schirmen spannende Figuren. Ist das Elton John, denke ich mir, als ich den Herrn mit Sonnenbrille, Hut und Dschungelanzug an mir vorbeilaufen sehe. Nein. Aber ich gebe zu, auch ich hatte Mühe, herauszufinden, ob es sich bei dieser Person um einen Mann oder eine Frau handelte. Ein paar Meter weiter kreuzte mich eine junge Dame – von oben bis unten komplett durchkariert. Selbstverständlich in unterschiedlichen Karomustern. Ich fands cool. Ein Hauch Internationalität wehte durch die Stadt. Ich fühlte mich diese Woche ein wenig wie in New York. Dort kannst du rumlaufen wie du willst. Das würde ich mir für Basel auch wünschen. Nicht nur während der Art.