Viola Lutz möchte Pornographie verbieten: «Sie vermittelt ein falsches Bild vom Liebesleben.» Die Studentin der Uni St. Gallen steht in einem Hotelzimmer und gestikuliert. Die 19-Jährige ist keine Aktivistin, sondern Debattiererin.
Viola Lutz möchte Pornographie verbieten: «Sie vermittelt ein falsches Bild vom Liebesleben.» Die Studentin der Uni St. Gallen steht in einem Hotelzimmer und gestikuliert. Die 19-Jährige ist keine Aktivistin, sondern Debattiererin. Zusammen mit ihrem Teampartner Manuel Adams vertritt sie die Schweiz an den Weltmeisterschaften im Hochschuldebattieren. Während acht Tagen treffen sich 1200 Studentinnen und Studenten aus der ganzen Welt im südtürkischen Antalya, um die besten Redner zu küren. Teams aus Oxford, Bangladesh oder Botswana sind dabei und mittendrin der Debattierklub der Uni St.
Gallen.
Die Organisatoren haben ein ganzes Fünf-Sterne-Hotel und für die Abende Parties organisiert. Dort wird jeweils kräftig gefeiert, aber davor gestritten, auf Englisch. Nicht nur die Redner, auch die Juroren kommen aus der ganzen Welt; sie bewerten jede Debatte und vergeben Rangpunkte. So viele Punkte wie möglich wollen Viola Lutz und Manuel Adams in den Vorrunden sammeln. Insgesamt gibt es neun davon, drei pro Tag und 100 parallel, alle in umfunktionierten Hotelzimmern.
Jede Runde bringt neue Gegner und ein neues Thema. Die Seite – ob Pro oder Kontra – wird zugelost. So muss Viola Lutz eben in dieser Runde Pornographie verbieten. Sie steht im kleinen Hotelzimmer vor Teams aus England und Irland. Ihre Argumente rattert sie herunter wie ein Maschinengewehr: Pornos vermitteln ein falsches Bild vom Liebesleben, dort würden Praktiken als normal gezeigt, gegen die es in der Realität Abneigung gebe, ausserdem setzten sie Frauen herab. Das schade der Gesellschaft – also müssten Pornos verboten werden.
«Debattieren ist ein Denksport, denn für jedes der Themen gibt es Argumente pro und kontra», erklärt Viola Lutz nach der Runde. Gegen ein Pornoverbot spreche die Kunstfreiheit und die Schwierigkeit, Pornos zu definieren. Damit hat die Opposition argumentiert.
Debattieren kommt ursprünglich aus England, aber mittlerweile breitet sich der Wortsport auf der ganzen Welt aus. So erlaubt auch China seinen Studenten den Meinungsstreit.
«Wir hatten sogar ein Trainingscamp zur Vorbereitung, sieben Tage mit je fünf Debatten», sagt Loke Wing Fatt, Coach der Chinesen. Auch Teams aus Barbados, Irak oder den USA sind mit ihren Trainern da. Aber auch ohne Coach schlagen sich Viola Lutz und Manuel Adams wacker und besiegen sogar Muttersprachler-Teams.
Dennoch reicht es nicht für die K.-o.-Runden. Nächstes Jahr findet die Debattier-WM in Botswana statt. Ist Viola Lutz wieder dabei? «Warum nicht?», lacht sie.
Wo sonst ergibt sich die Gelegenheit, mit so vielen Leuten zu streiten und abends ein Bier zu trinken? Mathias Hamann