Hetzportal betrieben
Denn sie weiss, was sie tut: Islamgegnerin neu im Basler Kirchenrat

Im Kirchenrat der Basler Reformierten sitzt neu eine Pfarrerin mit einem problematischen Verhältnis zum Islam. Die Kirche weiss davon, empfand die Predigten zumindest in Basel als unproblematisch.

Benjamin Rosch, Jonas Hoskyn
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Die Dorfkirche Kleinhüningen in Basel: Hier predigt Pfarrerin D. Bild: Kenneth Nars

Die Dorfkirche Kleinhüningen in Basel: Hier predigt Pfarrerin D. Bild: Kenneth Nars

CH Media

Es war eine Randnotiz dieser Woche. «Neuer Kirchenrat für Reformierte» teilte diese Zeitung mit. Neu in der Exekutive der Basler Reformierten sitzt Pfarrerin D. Nichts an dieser kurzen Meldung deutete auf die bewegte Vorgeschichte der Pfarrerin von Kleinhüningen hin, über die vor einigen Jahren sogar der «Spiegel» und die «Süddeutsche» berichteten, gegen die die Kirche eine interne Untersuchung führte und die für einige Jahre eine der grössten Hetz-Plattformen Europas betrieben hat.

Am 15. Februar 2007 war der streitbare deutsche Autor Henryk Broder zu Gast in Basel. Kurz zuvor war sein Bestseller «Hurra, wir kapitulieren» erschienen. Ein Pamphlet gegen Deutschlands Intellektuelle, die vor den Islamisten einknickten. Pfarrerin D. war inspiriert. Das einfache Bild, der Westen im Kniefall vor dem Islam, es traf D. im Innern. Wenige Tage später trat sie als Pfarrerin in Uri vor ihre Gemeinde und hielt eine Predigt unter dem Titel: «Hurra, wir gehen unter». Sie verkündigte ihrer Gemeinde die Schwächen der Demokratie: «Unser System ist langsam, schwerfällig, umständlich. Der Islam hingegen hat Tempo, Stil und Autorität. (...) Wenn die Entwicklung so weitergeht, müssen wir alle unseren Anrufbeantworter vielleicht bald neu besprechen – auf arabisch.» Die kleine Kirchgemeinde von Uri war nicht genug für Pfarrerin D. Sendungsbewusstsein. Sie entdeckte die grösste Kanzel der Welt: das Internet.

Das Internet als riesige Kanzel

Damals verzeichnete die Plattform «Politically Incorrect» (PI) 20 000 Besucher täglich. Diese lasen Schlagzeilen wie «Schwerverbrecher konvertieren zum Islam» und durften in Kommentaren Muslime als «Musel» verunglimpfen. PI ist ein als Newsesite getarnter Hetz-Blog «gegen die Islamisierung Europas», ein Instrument für Rechtspopulisten und Neonazis.

D. schrieb mit. Immer mit der Botschaft, es gäbe nur einen Islam und dieser sei eine Bedrohung für den Westen. «Unser Weg ist für viele Christen zu anstrengend. Sie sind fasziniert vom Islam, der auf den ersten Blick klare Antworten auf alle Fragen bietet», sagte sie der «Neuen Urner Zeitung», der die Aktivitäten der Pfarrerin als erste auffielen. Pfarrerin D. distanzierte sich im Artikel von Rassismus. Merkte aber an, der Dialog über den Islam werde zu seicht geführt – denn Muslime seien schnell beleidigt.

Das Portal verkündete Pfarrerin D.s Rückzug als Autorin. In Wahrheit schrieb sie unter Pseudonymen weiter. Sie nannte sich «Jeanne d’Arc» oder «Thorin Eichenschild».

2009 weitete sich die mediale Kritik an D. aus. Die «Sonntagszeitung» schrieb, wie sie in Köln an einem Anti-Islamisierungs-Kongress teilnahm und dabei ihre engen Banden zu Rechtsaussen-Politikern unter Beweis stellte. Es blieb nicht bei einem Auftritt.

Schliesslich enttarnten deutsche Medien 2011 D. als eigentliche Strippenzieherin von «Politically Incorrect». Eine Zeit lang war es alleine ihr vorbehalten, Beiträge freizuschalten. Die Rechnungsadresse von «PI» lautete auf das Pfarrhaus, in dem Pfarrerin D. wohnte. Sie war inzwischen nach Bern weitergezogen. Unter Druck ging sie auf Distanz, unter Druck leitete der Synodalrat Bern eine Untersuchung ein.

Tief im rechtsradikalen Sumpf

Wie tief Pfarrerin D. im rechtsradikalen Sumpf steckt, beschreibt allerdings erst der «Spiegel» anhand interner Protokolle der PI-Betreiber. Als der norwegische Neonazi Anders Breivik auf Utøya 77 Menschen tötete, galt D.'s Sorge dem rechtsradikalen Blogger Fjordmann, Breiviks Spiritus Rector und Freund von D., wie sie angab: «Ich kenne Fjordman persönlich – er ist KEIN Killer. Das ist eine Katastrophe, für uns und für Fjordman natürlich. Armer Kerl, er war bei mir zu Gast.»

Wieder gelobte Pfarrerin D. Besserung, sprach von einem «Fehler». Der Synodalrat verbot D., weiterhin auf «PI» zu publizieren. Ansonsten konnte sich D. schadlos halten. Auch, weil die Staatsanwaltschaft ein eingeleitetes Verfahren gegen sie einstellte. Ihr konnten keine hetzerischen Äusserungen gegen den Islam vorgeworfen werden. Beweise, die anderes belegen könnten, seien illegal beschafft worden und könnten nicht gewichtet werden.

So still, dass ihre Vergangenheit keine Rolle spielte, als sie 2015 das Pfarramt in Basel übernahm. Selbst bei ihrer Wahl zur Kirchrätin diese Woche war Pfarrerin D.'s Gesinnung kein Thema. Im Vorfeld der Synode allerdings schon: «Die Wahlvorbereitungskommission der Synode hat im Vorfeld mit Frau D. mehrere Gespräche geführt», sagt Sabine Ammann, Präsidentin der Synode. «Entscheidend ist, dass Frau D., seit sie als Pfarrerin für die Kirchgemeinde Basel-Stadt tätig ist, nie negativ aufgefallen ist und es keinerlei Anlass gab, ihre Handlungen oder ihr Verhalten zu beanstanden.»

Das rote Kreuz der Tempelritter

Recherchen der «Schweiz am Wochenende» zeichnen ein anderes Bild. Hinweise finden sich auf der Facebook-Seite der Pfarrerin. Zu ihren Freunden etwa zählt Dennis «Avi» Lipkin, weltweit bekannt als Anti-Islam-Aktivist und verurteilt in der Schweiz wegen Rassendiskriminierung. Er hatte Stimmung gemacht gegen Minarette und Allah mit Satan verglichen. D. hielt die Verbindung aufrecht, gratulierte ihm zuletzt zum Geburtstag.

Vergangenen Sommer lud sie zudem ein Bild hoch, auf dem unten links ein rotes Tatzenkreuz prangt. Es ist das Symbol der Kreuzzüge und beliebt bei den religiösen Rechten. Breivik hievte es auf das Titelbild seines kruden Manifests, «PI»-Gründer Stefan Herre trug es auf dem T-Shirt und benannte eine seiner Seiten mit dem Schlachtruf der Tempelritter: «Deus Vult», Gott will es. Das Emblem war ein codierter Gruss an Gleichgesinnte. Er kam an. Mehrere Personen, denen das Bild gefiel, verwenden ebenfalls das Tatzenkreuz auf ihren Bildern und zeigen auch sonst keine Berührungsängste mit rechter Symbolik.

Mit den Vorwürfen konfrontiert, wehrt Pfarrerin D. ab: Das Kreuz stehe für die «christliche Nächstenliebe», es sei ein maltesisches Symbol. Das Malteserkreuz sieht jedoch anders aus, viel spitzer – ein Umstand, den eine promovierte Theologin kennt. «Ich distanziere mich explizit von Anders Breivik», sagt D. und zu Avi Lipkin: «Ich gratuliere sämtlichen Facebook-Kontakten zum Geburtstag, so ist es durchaus möglich, dass ich auch Avi Lipkin gratuliert habe. Ich kenne ihn nicht persönlich und es ist mir nicht bekannt, welche Inhalte er vertritt.» Zumindest der erste Teil stimmt nachweislich nicht. Das Bild mit dem eingefügten Kreuz löscht D. nach der Anfrage.

Problematische Predigten in Basel

Sowohl Pfarrerin D. als auch Matthias Zehnder, Sprecher der Evangelisch-Reformierten Kirche, verweisen auf ihre Predigten, die sie in Kleinhüningen gehalten hat. Diese hätten «nie Anlass für Beschwerden» gegeben. Die «Schweiz am Wochenende» hat sämtliche Predigten der vergangenen zwei Jahre gelesen.

Das Fazit: Vieles ist unproblematisch, doch drückt D.'s Gesinnung durch. Redet sie über den Islam, differenziert sie nicht. Sie spricht von der Scharia, von selbsternannten Gotteskriegern «nicht allein in Afghanistan» und erschossenen Frauen. Am Pfingstsonntag 2018 predigte Pfarrerin D. zur Christenverfolgung. Die gesamte arabische Welt fasste sie zu «Arabien» zusammen, «wo Bibeln und Kreuze beschlagnahmt werden und wer zugibt, Christ zu sein mit der Todesstrafe bedroht wird.» Ausgangspunkt ihrer Rede war Saudi-Arabien, wo immerhin 1,5 Millionen Christen leben.

Wie Pfarrerin D. die christliche Nächstenliebe mit Diffamierung des Islams verbindet, illustriert eine ihrer jüngsten Reden. Sie mahnte zur Fürsorge für Leute in Not, trotz ihrer «Angst» vor dem Verlust «kultureller Errungenschaften.» Und fügte an: «Ob diese Leute dasselbe auch für uns tun würden, sei dahingestellt.»

Religionswissenschaftler Oliver Wäckerlig vom Pastoralsoziologischen Institut St. Gallen hat viel zur religiösen Rechten geforscht und ist Autor des Buchs «Das Fanal von Wangen», in dem er Pfarrerin D.'s Rolle nachzeichnet. Er hält ihre Verteidigung für unglaubwürdig und das Tatzenkreuz für ein Statement: «D. ist eigentlich eine christliche Zionistin mit islamfeindlichen Positionen. Von diesen hat sie sich nach Kritik nur sehr lau distanziert.»