Mein Olten
Heimat – oder der Ruf des AKW Gösgen

Unsere Kolumnistin Noëmi Ackermann aus Olten sinniert über das Heimatgefühl und kommt auf überraschende Einsichten.

Noëmi Ackermann
Noëmi Ackermann
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Löst bei Noëmi Ackermann Heimatgefühle aus: der Blick aufs AKW Gösgen in Däniken.

Löst bei Noëmi Ackermann Heimatgefühle aus: der Blick aufs AKW Gösgen in Däniken.

Bild: Bruno Kissling

Während ich diese Kolumne schreibe, sitze ich ganz im Westen Frankreichs, in der Bretagne. Diese Region gehört für mich zu den schönsten der Welt, ich fühle mich hier so wohl wie sonst kaum irgendwo. Und doch: So abgedroschen es klingt, hier fällt einem auf, was einem zu Hause gefällt, was man hier vermisst. So gerne ich diese raue Küstenlandschaft und das Meer mag, Heimat ist das hier nicht.

Der Duden definiert Heimat nämlich so: Land, Landesteil oder Ort, in dem man geboren und aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt. Für mich bedeutet dies demnach: Heimat ist die Schweiz. Und zur Schweiz gehören die Berge, die Wälder, Kühe und Käse. Und doch sind diese typischen Schweizer Sachen nicht das, was in mir ein Heimatgefühl auslöst. Ich mag zwar die Berge – Wandern ist in der Schweiz mindestens so toll wie hier in der Bretagne. Und auch Wälder und Kühe mag ich eigentlich. Und Käse sowieso.

Aber, je länger ich darüber nachdenke, desto kleinteiliger fällt für mich die Antwort nach Heimat aus. Dann ist es eben nicht nur Europa, die Schweiz, der Kanton Solothurn, sondern eben genau (die Region) Olten. Je mehr Gedanken ich mir mache, desto präziser ist Heimat für mich nicht Kühe, Berge und Käse.

So lösen für mich eigentlich vor allem typische Sachen aus der Region Olten ein Heimatgefühl aus. Heimat sind die Hügel des Juras, der Kretenweg von Trimbach nach Hägendorf, die Teufelsschlucht mit den tollen Wasserfällen. Und auch der Nebel im Herbst, der über Olten hängt, auch das ist Heimat für mich. Ich mag es, wenn es einen Grund gibt, sich ins Innere zu verziehen. Und natürlich ist die Eisenbahn Heimat; als Generalabonnement-Besitzerin bin ich damit oft und lange unterwegs – immer wieder zurück nach Olten.

Heimat ist aber nicht nur ein Ort, es ist vielmehr ein warmes, wohliges Gefühl. Ein Gefühl, das ich jedes Mal habe, wenn ich auf der Autobahn heimfahre (vor allem, wenn ich von Zürich herkomme) und die Wolke des Kühlturms des Atomkraftwerks Gösgen sehe. Schon seit meiner Kindheit löst das in mir ein Gefühl von Zuhause aus. Da wusste ich jeweils: Jetzt geht es nicht mehr weit, bis wir zu Hause in Kappel sind.

Und so habe ich auch in fremden Ländern bei AKW-Kühltürmen ein «Hier-bin-ich-wohl-Gefühl».

Das Kernkraftwerk Gösgen verfügt über eine unbefristete Betriebsbewilligung. Für mein Heimatgefühl ist das eine gute Nachricht. Sollte diese jemals auslaufen oder die Betreiber würden sich für eine Ausserbetriebnahme entscheiden, müsste ich mir wohl ein neues Heimatgefühl suchen. Aber zum Glück gibt es noch ein anderes – und da bin ich dann auch wieder typisch schweizerisch:

Was für mich nämlich auch ein Gefühl von Heimat ist, ist, wenn es nach Schokolade riecht. Ich mag es total gerne, wenn der Wind den Duft der Schokolade durch die Stadt treibt. Und man sagt schliesslich nicht umsonst: Home is where your heart is. Mein Herz ist und bleibt in Olten. So schön es in der Bretagne ist, so gerne komme ich wieder nach Hause – zum AKW-Kühlturm und dem Schokoladengeschmack.