Spieler der Saison
Fabian Frei im Interview: «Es war nicht so schlecht, wie viele finden»

FCB-Spieler der Saison Fabian Frei spricht im grossen Interview über die Lehren aus der abgelaufenen Spielzeit, den Umgang mit Störfeuern und Kollers Bier-Abschied.

Jakob Weber
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Fabian Frei ist der Überflieger der abgelaufenen Saison.

Fabian Frei ist der Überflieger der abgelaufenen Saison.

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54 Spiele, 18 Tore und 12 Assists. Ihre Statistiken sind so gut wie noch nie. Die Uefa hat Sie ins Europa-League-Team der Saison gewählt und auch für die bz sind Sie der Spieler der Saison. Warum aber hat Nati-Coach Vladimir Petkovic Sie nicht aufgeboten?

Fabian Frei: Das weiss ich nicht. Es wäre eine Ehre, aber ich habe auch jetzt kein Aufgebot erwartet. Ich muss auch sagen, dass mein Hauptaugenmerk mittlerweile woanders liegt. Zumal in der Nations League gerne ein paar neue, junge Leute mitgenommen werden.

Haben Sie überhaupt noch Kontakt zur Nati? Ihr letztes Länderspiel liegt zweieinhalb Jahre zurück.

Nein. Ich war mal sehr lange Zeit immer auf Pikett. Darüber hat man mich informiert. Aber jetzt habe ich keinen Kontakt mehr.

Dafür können Sie in Basel die ersten Trainingseinheiten von Ciriaco Sforza mitnehmen. Wie ist es, unter ihm zu trainieren?

Ein neuer Trainer bringt frischen Wind. Das ist normal. Auch, dass gewisse Neuerungen am Anfang gewöhnungsbedürftig sind. Aber es ist cool. Wir haben Spass.

Was ist unter Sforza anders?

Die Lautstärke. Das ist augenscheinlich und glaube ich allen aufgefallen. Er bringt sich öfter ins Training ein. Marcel Koller war auf dem Trainingsplatz eher der Beobachter. Sforza unterbricht gerne und verbessert direkt.

Und im Tagesablauf?

Ein neuer Trainer ist zu Beginn immer relativ streng. Wir gehen jetzt zum Beispiel zusammen mit dem Velo zum Trainingsplatz, was grundsätzlich sinnvoll ist. Es symbolisiert, dass wir ein Team sind. Es muss sich dann aber zeigen, wie sich das einpendelt. Aber es ist ein gutes Zeichen. Noch stört es mich nicht, auf die Mitspieler zu warten (lacht).

Wie würden Sie die vergangene Saison zusammenfassen?

Als nicht so schlecht, wie viele finden. Die Europa League war super, der Cup war ok und die Meisterschaft nicht so gut.

Was waren Ihre Highlights.

(überlegt) Einen Hattrick habe ich noch nie gemacht.

Nach seinen drei Treffern im Letzigrund nahm Fabian Frei den Ball mit nach Hause.

Nach seinen drei Treffern im Letzigrund nahm Fabian Frei den Ball mit nach Hause.

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Wie gegen Zürich.

Auch die beiden Spiele gegen Getafe und das Heimspiel gegen Eindhoven. Da waren wir wirklich gut. Wenn ich aussuchen muss, wähle ich diese Spiele, auch wenn ich sicher noch andere Highlights vergessen habe.

Das schlechteste Spiel?

(überlegt) Die Saison war so lange, dass ich gar nicht mehr weiss, was vor dem Restart alles passiert ist. (überlegt weiter). Das Heimspiel gegen Thun, das wir 0:1 verloren haben. Das Spiel gegen Servette, wo wir trotz 2:0 noch 2:2 gespielt haben. Auch Donezk war nicht so gut. Zumindest von mir. Oder die Niederlagen nach der Winterpause gegen YB und St. Gallen. Das war auch nicht so rosig.

Was bleibt abseits vom Platz in Erinnerung?

Es ist einiges passiert, an das ich mich erinnern werde. Vor allem auch an Corona. Es war ein ständiges Auf und Ab.

Das erste Ab war die kurzfristige Freistellung von Marcel Koller im Sommer 2019 und der Rücktritt von Marco Streller. Wie sind Sie damit umgegangen.

Ich persönlich schlecht. Weil kurz darauf die Sache mit der Captainbinde war und einiges an meiner Person aufgehängt wurde. Das hat mich schon getroffen, weil Vieles nicht gestimmt hat, wie es in den Medien dargestellt wurde.

Hatten Sie das Gefühl, den Stempel aufgedrückt zu bekommen, dass Sie gegen den Trainer arbeiten?

Nicht nur das Gefühl. Dieser Stempel wurde mir aufgedrückt. Aber wenn das wahr gewesen wäre, was in gewissen Medien stand, hätte ich am Ende ganz sicher nicht über 50 Spiele gemacht.

Es waren 54 Spiele. Keiner hat beim FCB mehr Minuten. Sie fehlten nur zweimal gelbgesperrt und einmal wegen einer Verletzung.

Eben. Wenn Spieler, die angeblich gegen den Trainer arbeiten 54 von 57 Spielen machen, würden wohl bald einige Spieler anfangen, auch gegen den Trainer zu arbeiten. (lacht)

Haben Sie das, was Sie jetzt erzählen auch damals mit Marcel Koller so besprochen?

Nein, weil es in dieser Sache auch nicht viel zu besprechen gab. Wir hatten das Gespräch, wo es um die Captainfrage ging. Anschliessend war es für mich gut.

Wird die Captainbinde überschätzt?

Das habe ich schon damals zu Marcel Koller gesagt. Es wäre eine Ehre für mich gewesen, die Binde zu tragen. Aber ich kann auch ohne Binde Verantwortung übernehmen. Die Captainbinde ist mir nicht wichtig. Aber wenn du schon vorher in den Medien verkündest, dass du es gerne machen würdest, stehst du dann halt ein bisschen blöd da. Auch das habe ich gelernt. (lacht) Jetzt bin ich bei euch Spieler der Saison geworden. Es geht schnell im Sport.

In der Hinrunde lief es für den FCB auch in der Liga noch ganz gut. Sie hätten sogar Wintermeister werden können, verloren dann aber gegen Luzern.

Zwei Punkte Rückstand zur Halbzeit sind zwar im Rahmen. Aber schon dort hatte ich das Gefühl, dass wir selber und vor allem auch das Umfeld nicht zufrieden mit unseren Leistungen waren. Da wurde einiges an Negativität von aussen an uns herangetragen.

Ist das etwas, dass Sie beschäftigt?

Jetzt nicht mehr so sehr wie früher. Solche Dinge lassen mich mittlerweile relativ kalt. Ich habe gelernt, das einschätzen zu können. Ich bin ja schon länger dabei und hatte immer das Gefühl, dass solche Dinge eh an mir abprallen. Aber in den letzten zwei Jahren wurde ich abgehärtet und kann jetzt einiges besser einschätzen. Natürlich liest jeder gern, was über deinen Verein berichtet wird. Aber vor allem positive Dinge.

Sie sagen, Sie hätten gelernt. Machen Sie konkret etwas anders?

Nein. Ich gehe die Dinge einfach anders dran. Zeitungen überfliege ich auch heute noch. Aber nicht mehr, um zu sehen, ob irgendwo mein Name steht. Sondern, um den Grundtenor zu erfassen.

Haben Sie früher Ihren Namen gesucht?

Ja klar. Jeder, der etwas anderes sagt, lügt. Ein 18-Jähriger schaut nach seinem ersten Spiel, was für eine Note er bekommen hat. Das ist ja normal. Ich habe das auch gemacht und schaue auch jetzt ab und zu noch meine Note an. Aber ich kann es jetzt einschätzen, dass das die Meinung eines Journalisten ist. Wenn du in einer anderen Zeitung nachschaust, kann die Note teilweise schon anders sein. Dann sage ich mir: Schau, nicht mal die sind sich einig. Darum ist eher das Einschätzen anders als früher.

Gab es einen Knackpunkt in der Saison?

Die ersten beiden Spiele der Rückrunde. Die Niederlagen gegen YB und St. Gallen haben uns zurückgeworfen.

Können Sie sich mittlerweile erklären, warum der FCB europäisch immer sehr gut gespielt hat, in der Liga aber viele unnötige Punkte liegen liess?

Es waren andere Ausgangslagen. In der Liga sind doch sieben von neun Gegnern relativ tief gestanden gegen uns. Da haben wir es über die gesamte Saison hin gesehen nicht geschafft, oft genug Lösungen zu finden. International haben die Gegner mitgespielt. Das hat uns einfach besser gepasst.

Nach dem Restart haben Sie in 77 Tagen 18 Spiele absolviert. Waren es zu viele?

Natürlich gab es Spieler, die froh um eine Pause gewesen wären. Aber ich regeneriere glaube ich relativ gut, was vielleicht auch daran liegt, dass mein Spiel nicht so intensiv ist, wie einer die die Linie rauf und runter sprintet. Natürlich hätte es nicht geschadet, wenn wir mehr Verschnaufpausen gehabt hätten. Das kann ein Faktor gewesen sein. Aber es soll auf keinen Fall als Ausrede gelten. Wir haben die Spiele nicht verloren, weil wir müde waren.

Jetzt ganz ohne sportlichen Hintergedanken. Sind es zu viele Spiele, welche die Fussballer allgemein in diesen Tagen absolvieren müssen?

Ich sage es mal so: Für mich ist es ok. Ich spiele lieber, als zu trainieren. Zudem geht es allen Mannschaften gleich. Und was soll dann jemand sagen, der jeden Tag um 5 Uhr morgens aufstehen muss, um zur Arbeit zu gehen?

Wie ist es als Spieler, wenn Sie jetzt spielen müssen, damit die TV-Gelder fliessen?

Man merkt, wie klein man als einzelner Fussballer ist. Vor allem in der Schweiz. Aber wir machen unseren Job und den machen wir ja auch gerne. Ich habe lieber mehr Spiele und der Verein überlebt.

Ab wann haben Sie realisiert, dass das mit Corona euch noch eine Weile beschäftigen wird?

Ab dem Lockdown kurz nach dem Frankfurt-Spiel. Als wir daheim waren und nur im Notfall raus gingen. Und wenn du dann siehst, dass es andere Länder noch härter getroffen hat als die Schweiz. Da habe ich gemerkt, dass das eine langwierige Sache werden könnte.

Welche persönlichen Einschränkungen mussten Sie sich auferlegen?

Eigentlich keine speziellen. Wenn wir heute einen Desinfektionsspender sehen, gehen wir Spieler automatisch da hin und desinfizieren uns die Hände. Auch umarme ich weniger Leute. Die Faust ist öfter im Einsatz als früher. Aber wir sind auch Menschen und die Chance ist da, dass sich auch ein Fussballer ansteckt. Das finde ich teilweise schon schwierig, wenn Spieler als Kriminalisten dargestellt werden, weil sie sich angesteckt haben. Wenn sich einer im Coop am Einkaufswagen ansteckt, kann ich ihm ja keinen Vorwurf machen.

Sie wären aber wohl nicht nach Sardinien in den Kurzurblaub.

Es waren auch Mitspieler in anderen Ländern und denen ist nichts passiert. Ich bin in der Schweiz geblieben, aber wie gesagt, kann man sich wenn man Pech hat auch hier in der Schweiz anstecken.

Hat Sie Corona privat eingeschränkt?

Nicht mehr als andere Menschen auch. Die grösste Einschränkung war, dass die Grosseltern nicht mehr zu unseren Kindern schauen konnten. Die Kita war zu, so war ich ständig um alle herum. Als Fussballer bist du oft weg. Jetzt lernte ich schätzen, was die Ehefrau daheim alles macht.

Wie darf man sich das vorstellen?

Eigentlich war das nur reines Bespassen. Meine ältere Tochter ist drei, die ist nonstop unterwegs. Und du musst sie am Abend irgendwie ins Bett bringen. Ohne Zolli, ohne Spielplatz und ohne Park. Das hat mich fit gehalten.

Nach dem Lockdown qualifizierten Sie sich für das Finalturnier der Europa League in Düsseldorf. Wie skurril war das, abgeschottet von der Aussenwelt Fussball zu spielen?

Eigentlich gar nicht so gross anders wie bei anderen Auswärtsreisen. Wir sind ja auch sonst immer im Hotel, fahren zum Stadion, zum Training und wieder zurück. Speziell war vielleicht, dass wir direkt aufs Rollfeld gefahren wurden, mit Maske gereist sind und im Hotel noch einen Coronatest gemacht haben. Aber da wird nach zwei Tagen bereits ausgeschieden sind, kam kein wirklich anderes Feeling auf.

Wie viele solcher Tests haben Sie jetzt schon gemacht?

Ich schätze so acht bis zehn.

Haben Sie da Angst, dass es mal positiv sein könnte?

Nein. Solange es nur ich hätte, würde mich das nicht gross beängstigen. Da habe ich eher Angst, dass ich Eltern oder Grosseltern anstecken würde oder zehn Tage mit meinen zwei Kindern in Quarantäne müsste. (lacht)

Die Saison endete erst vor einer Woche mit dem Cupfinal. Wie haben Sie die Niederlage verarbeitet?

Dieses Spiel hat unsere Saison widerspiegelt. Das Glück war nicht mit uns. Von der Leistung her war das nicht unser bestes Spiel, aber es war gut. Wir hätten das Penaltyschiessen verdient gehabt, aber so ist der Fussball. Es hat halt etwas gefehlt.

Trauern Sie da bestimmten Szenen hinterher?

Nein. Nach dem Spiel war ich schon eine halbe Stunde im Elend. Dann gab es in der Kabine ein Bier und dann ging es eigentlich recht schnell wieder. Das war ja mein sechster Cupfinal und die Hälfte davon habe ich verloren. Ich kenne beide Seiten. Es tut weh, absolut. Es wäre cool gewesen, auch für den Abschied von Marcel Koller. Es wäre ein Titel gewesen, das darf man nicht vergessen.

Marcel Koller hatte es am Anfang schwer. Doch er bewies sehr viel Ruhe. Wie hat sich das Verhältnis von euch Spielern zu ihm entwickelt.

Sehr positiv. Es war auch vorher nicht schlecht. Menschlich war er immer top. Auf dem Fussballplatz hatten wir gewissen Probleme, das umzusetzen, was er wollte. Aber es ist immer besser geworden. Nach dem Spiel in Bern war es auch für ihn sehr emotional. Er hat uns auch gern bekommen. Wir haben uns bei ihm bedankt. Er hat sich immer vor uns gestellt, uns geholfen und sich nicht beirren lassen.

Wie haben Sie ihn mit der Mannschaft verabschiedet?

Mit Bier. Auch als wir dann mit dem Bus zurück fuhren und mit den Fans zusammen am Stadion waren. Das war schon ein schöner Moment für uns alle und für Marcel Koller.

Was sind die Lehren aus dieser Saison?

Schwere Frage. Wir müssen uns als Mannschaft auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können. Ohne hellseherische Fähigkeiten zu haben: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auf einen Schlag sehr ruhig werden wird. Deswegen konzentrieren wir uns auf unsere Sachen. Wenn wir Spiele gewinnen, wird die Stimmung automatisch in allen Bereichen besser.