Coronavirus
Grosser Amateurfussball-Report: Vereine in der Region bangen um ihre Existenz

Den Fussballvereinen in der Region geht die Coronakrise an die Substanz. Weil der Ball ruht, fehlen den Vereinen Tausende von Franken und den Amateurkickern ihr liebstes Hobby. Die Schweiz am Wochenende hat nachgefragt, wo die grössten Probleme liegen und was sich die Vereine wünschen.

Alexandra Toscanelli & Simon Leser
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Dieses Testspiel zwischen Concordia Basel und Amiticia Riehen war für die Katz. Noch ist unklar, wann wir solche Szenen auf den Fussballplätzen der Region wieder zu sehen bekommen. (8. März 2020)

Dieses Testspiel zwischen Concordia Basel und Amiticia Riehen war für die Katz. Noch ist unklar, wann wir solche Szenen auf den Fussballplätzen der Region wieder zu sehen bekommen. (8. März 2020)

Edgar Hänggi

Sparmöglichkeiten und Verluste gleichzeitig

Einnahmen generiert ein Verein in der Regel vor allem durch Mitglieder- und Sponsorenbeiträge, durch Vereinsanlässe wie Grümpeli, durch das Klubrestaurant oder durch staatliche Subventionen wie Jugend-und-Sport-Gelder. Diese Geldquellen wurden durch das Coronavirus und die Folgen ebenso durcheinandergewirbelt wie die Ausgabenseite. Denn ohne laufenden Spielbetrieb können die Vereine auch budgetierte Kosten einsparen. Da wären zum Beispiel die Schiedsrichter, die nicht bezahlt werden müssen oder die Bussen, die ohne gelbe und rote Karten nicht anfallen. Zudem wurde zumindest den Vereinen, die auf einer städtischen Sportanlage spielen, die Platzmiete für das Sommersemester vom Kanton erlassen.

Martin Scheidegger, Präsident FC Bubendorf

Martin Scheidegger, Präsident FC Bubendorf

FC Bubendorf

Doch trotz dieser Einsparmöglichkeiten überwiegen die finanziellen Verluste, welche der Saisonabbruch nach sich zieht. Dieser wurde von den Regionalverbänden vor einer Woche beim Schweizerischen Fussballverband beantragt. Die definitive Entscheidung wurde am Donnerstag auf die kommende Woche hinausgeschoben, doch alles andere als ein Abbruch wäre überraschend. «Natürlich haben wir weniger Ausgaben ohne Spielbetrieb, aber das hebt sich lange nicht auf», bestätigt Martin Scheidegger, Präsident des FC Bubendorf.

Dominik Tanner, Präsident FC Rheinfelden

Dominik Tanner, Präsident FC Rheinfelden

Edi Strub

Auch der Präsident des FC Rheinfelden, Dominik Tanner, berichtet: «Es ist zwar schwierig, bereits eine Aussage zu machen. Aber es gibt auch Verträge mit Trainern, deren Lohn weiter gezahlt wird. Es sind also einige Fixkosten vorhanden, auch wenn kein Spielbetrieb stattfinden kann.» Beim FC Allschwil spürt man die geringeren Einnahmen ebenso. Präsident René Hagen sagt: «Das Zeitungssammeln im Juni wird voraussichtlich nicht stattfinden. Das sind weitere Einnahmen, die fehlen.» Den meisten Vereinen fehlt Geld in der Kasse. Beim FC Allschwil haben einige Trainer bereits solidarisch erklärt, unter diesen Umständen auf ihren Lohn zu verzichten.

René Hagen, Präsident FC Allschwil

René Hagen, Präsident FC Allschwil

FC Allschwil

Diese Solidarität wünscht man sich auch von den Spielern, wenn es um die Mitgliederbeiträge geht. Bereits jetzt werden Stimmen von Spielern laut, die einen Teil des Jahresbeitrages zurückerstattet haben wollen oder mindestens nächstes Jahr eine Reduktion erwarten. Das stösst bei gewissen Vorständen auf Unverständnis. Christian Schmid aus der Vereinsleitung der Old Boys sagt: «Wir hoffen, dass die Spieler vernünftig sind und den Verein in dieser schwierigen Zeit unterstützen.»

Beim FC Bubendorf ist eine Reduktion finanziell gar nicht möglich. «Da wir das Grümpeli im Juni nicht durchführen können, haben wir in der nächsten Saison klar weniger Einnahmen», erklärt Präsident Scheidegger. Andere Vereine möchten den Mitgliedern etwas zurückgeben. «Ende der Saison muss das im Vorstand besprochen werden. Wir wollen etwas zurückgeben, aber in welcher Form und in welchem Umfang ist noch unklar», sagt Tanner vom FC Rheinfelden. Dieser Ansicht sind auch die Verantwortlichen beim FC Laufen, beim FC Therwil und beim FC Allschwil.

Martin Kleiber, Präsident des FC Biel-Benken sagt: «Eine Art Kompensation ist auf jeden Fall denkbar, da etwas gezahlt wurde, dass man nicht bekommen hat.» Zuerst einmal muss aber die aktuelle Saison finanziell abgeschlossen werden und eine Prognose für die nächste gemacht werden. Erst dann könne man entschieden, wie es weitergeht.

Martin Kleiber, Präsident FC Biel-Benken

Martin Kleiber, Präsident FC Biel-Benken

FC Biel-Benken

Doch nicht alle Vereine können es sich leisten, bis zum Ende der Saison abzuwarten. «Natürlich ist es wichtig, wie gesund ein Verein ist und ob man gewisse Reserven hat», erklärt Andrea Imhof, Mitglied des Vorstandes des FC Therwil. Nur sind aber nicht alle Vereine gesund. Robert Breiter, Generalsekretär vom Schweizerischen Fussballverband (SFV), erklärt, dass etwa ein Dutzend Gesuche für Soforthilfe im Fussball eingetroffen sind. Vereine, die unmittelbar von einer Zahlungsunfähigkeit bedroht sind und liquidiert werden müssen, können einen Antrag auf Soforthilfe beim Fussballverband stellen. Dieser wird dann geprüft und an das Bundesamt für Sport (Baspo) weitergeleitet.

Der FC Black Stars hat nach eigenen Angaben direkt beim Baspo einen Antrag auf staatliche Unterstützungsgelder eingereicht. Der Bund hat 50 Millionen Franken für die Unterstützung im Breitensport zur Verfügung gestellt. Dies gilt aber nicht nur für den Fussball. «Für die meisten Schweizer Fussballvereine ist es noch keine existenzielle Bedrohung, da diese meist breit abgestützt sind», sagt Breiter. So könnten viele Vereine auf zahlreiche teils jahrelange Sponsoren zurückgreifen, die trotz unterbrochenem Spielbetrieb ihren Beitrag bezahlen. Beim Verband besteht Hoffnung, dass die Vereine diese Krise überleben.

Robert Breiter, Generalsekräter SFV

Robert Breiter, Generalsekräter SFV

SFV

Kinder sollen zuerst wieder auf den Platz

Ab dem 11. Mai müssen Kinder wieder in die obligatorische Schule. Wann sie auch wieder ins Juniorentraining dürfen, steht noch nicht fest. Um bei Laune zu bleiben, werden sie in diesen Tagen von ihren Trainern mit Hausaufgaben und Videos gefüttert. Die Freude daran nimmt jedoch ab, die Ungeduld zu. «Es ist zwingend nötig, dass ein Training für die jüngsten Junioren wieder stattfinden kann», sagt Thomas Steinemann, Co-Präsident des FC Concordia Basel. Um das Training hygienegerecht umzusetzen, solle in einer ersten Phase auf Zweikämpfe verzichtet werden. Auch Hans-Beat Rohr, Präsident des SV Muttenz, fände Juniorentrainings bei Wiederaufnahme der Schule wünschenswert, sofern es die gesundheitliche Situation zulässt.

Thomas Steinemann, Co-Präsident FC Concordia

Thomas Steinemann, Co-Präsident FC Concordia

FC Concordia

Wie der SFV in einer Stellungnahme mitteilt, sei es wünschenswert, dass Junioren vor den Erwachsenen wieder auf den Rasen dürfen. Der Verband erarbeitet zurzeit entsprechende Konzepte, wie das ohne gesundheitliche Risiken ablaufen könnte. Doch das Ergebnis der Arbeitsgruppe liegt ebenso wenig vor wie ein konkreter Zeitplan.

Angst um tausende J+S Gelder vom Staat

Viele Vereine in der Region haben Juniorenteams oder ganze Juniorenabteilungen. Solche Teams werden vom Baspo mit J+S-Geldern unterstützt. Es gibt diesbezüglich bestimmte Auflagen, um diese Fördergelder zu erhalten. Einerseits müssen die Leiterpersonen Kurse besucht haben und ausgebildet sein. Andererseits gibt es eine Mindestanzahl an Trainingseinheiten, die durchgeführt werden müssen.

Die Fussballtrainings haben in der Rückrunde zwar gestartet, die Mindestanzahl konnte aber aufgrund des Lockdowns nicht eingehalten werden. J+S, das im vergangenen Jahr insgesamt 80 Millionen Franken auszahlte, hat die Zahlungen aktuell gestoppt. Lediglich die bereits vor dem 16. März durchgeführten Trainings werden vergütet. Da die Fussballsaison aber meist erst Mitte Januar oder Anfang Februar fortgesetzt wurde, sind das nur ein paar wenige Trainingseinheiten.

Die fast wichtigere Frage stellt sich, wie es mit den Einheiten aussieht, die nicht durchgeführt werden konnten. Denn die J+S-Gelder werden pro Trainingseinheit und pro anwesendem Junior ausgezahlt. Der Wegfall dieser Einnahmequelle stellt die Regionalvereine momentan vor teilweise immense finanzielle Probleme. Das Baspo und das Parlament überprüfen zurzeit, ob und wie trotzdem ein Beitrag an J+S-Geldern ausbezahlt werden kann.

Hans-Beat Rohr, Präsident SV Muttenz

Hans-Beat Rohr, Präsident SV Muttenz

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Hans-Beat Rohr, Präsident des SV Muttenz, einem Verein mit sehr vielen Junioren, erklärt: «Da geht es um mehrere 10000 Franken, die uns fehlen. Wir haben noch Hoffnung, dass sich das Baspo erbarmt und die Vereine auch für die ausgefallenen Trainings entlöhnt. Das lässt sich aber noch nicht abschätzen.» Auch in diesem Thema müssen die Vereine abwarten und auf finanzielle Hilfe hoffen.

Ohne Pommes und Bier fehlt den Vereinen weiteres Geld

Der Spielunterbruch in der Super League hinterlässt auch in der regionalen 2. Liga Spuren. Strömen durstige FCB-Fans in der Halbzeitpause im St. Jakob Park zu den Verpflegungsständen, so werden sie vom Cateringstaff des FC Concordia Basel bedient. Weil der Ball auch im Joggeli ruht, entgehen Congeli die Haupteinnahmen. Pro halber Saison verliert der Verein 200000 Franken, beinahe alles stammt vom Catering-Angebot.

Während in den nächsten Wochen das gesellschaftliche Leben in der Schweiz schrittweise gelockert wird, sind Fussballfans in einem Stadion aktuell undenkbar. Geisterspiele sind vermutlich der einzige Ausweg, die sportliche Saison zu retten. Verpflegungsstände im Stadion leiden darunter. «Wir haben Ware im Joggeli, die wir jetzt nicht brauchen und die bald verfällt», sagt Congeli-Co-Präsident Steinemann. Für seine Mitarbeiter musste er Kurzarbeit beantragen. Die Zukunft sieht düster aus. «Gibt es 2020 im Joggeli aber nur noch Geisterspiele, ist es irgendwann nicht mehr finanzierbar», sagt Steinemann.

Der Epidemiologie Marcel Tanner rechnet damit, dass Fussballspiele mit Zuschauern frühestens wieder im Sommer 2021 stattfinden können. Für Congeli wäre dies dramatisch. Auch andere Vereine klagen über fehlende Einnahmen aus dem gastronomischen Angebot. Klubrestaurants bleiben ebenso geschlossen wie Sportanlagen. Beim FC Rheinfelden übernahmen erst Anfang März neue Klubbeizer, welche ihre Startmotivation nun auf Stand-by setzen müssen. Die Black Stars leiden als Pächter ihrer Beiz. Der SV Muttenz muss schauen, dass der Wirt nicht abspringt. Der FC Laufen musste sechs Geburtstage absagen, die im Klubrestaurant hätten stattfinden sollen. «Die Gastronomie hinterlässt bei uns finanziell die grösste Lücke», sagt Roland Niederberger, Präsident des FC Laufen. Alleine pro Heimspiel entgehen dem Verein 1500 Franken.

Ein Sommer ohne Grümpeli, ein Loch im Vereinsbudget

Jeder Hobbyfussballer liebt sie: die regionalen Grümpeli. Ein Highlight für den Verein, das Dorf, die Mannschaften und auch alle, die nur die Atmosphäre geniessen wollen. Doch in diesem Jahr drohen die meisten Grümpelis in der Region dem Coronavirus zum Opfer zu fallen. Und damit reissen sie ein weiteres Loch in die Vereinskassen.

Der FC Birsfelden musste nebst dem Auffahrtsturnier auch seine Jubiläumsfeier im August absagen. Das weit bekannte Grümpeli des FC Bubendorf im Juni findet 2020 nicht statt. Martin Scheidegger, Präsident des FC Bubendorf, sagt: «Es ist ein grosser Betrag, der fehlt.» Gemäss Robert Breiter, dem Generalsekretär des SFV, können Grümpeli-Einnahmen bei gewissen Vereinen bis zu 20 Prozent der kompletten Vereinseinnahmen ausmachen. Dieses Loch in der Kasse betrifft zwar meist erst die nächste Rechnungsperiode. Es bedeutet aber auch, dass die Nachwehen des Lockdowns für die Vereine noch Jahre zu spüren sind.

Christian Schmid, Leiter Ressort Sport, BSC Old Boys Basel

Christian Schmid, Leiter Ressort Sport, BSC Old Boys Basel

BSC Old Boys Basel

Bei den Old Boys gibt es normalerweise jedes Jahr am Bündelitag, also zu Beginn der Sommerferien, einen grösseren Anlass. Dieser wird jetzt in eine vereinsinterne OB-Meisterschaft umfunktioniert. Christian Schmid, zuständig für das Ressort Sport in der Vereinsleitung, erzählt: «Es wird gemischte Mannschaften geben. Jung und Alt, Frauen und Männer werden zusammen spielen.»

Grosszügige Stadt, hoffende Landvereine

In den turbulenten Coronazeiten gibt es auch erfreuliche Nachrichten. Um den Sportvereinen in Basel finanzielle Abhilfe zu leisten, erlässt das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt die Nutzungsgebühren für Schul- und Sportanlagen für das Sommersemester 2020. Diese Regelung gilt für Aussensportanlagen bis am 27. September. «Ich hoffe, Ihnen mit dem Erlass der Gebühren für das ganze Semester eine gewisse Planungssicherheit und finanzielle Entlastung geben zu können», schreibt Regierungsrat Conradin Cramer in einem Brief an die Nutzerinnen und Nutzer der Schul- und Sportanlagen der Stadt Basel.

Conradin Cramer, Regierungsrat Baselstadt

Conradin Cramer, Regierungsrat Baselstadt

Gymnasium Bäumlihof

Von der Grosszügigkeit profitiert Concordia Basel, die in der Sportanlage St. Jakob trainieren. «Die Nutzungsgebühren sind jeweils ein grosser Kostenblock», sagt Co-Präsident Thomas Steinemann. Congeli sei auf den Erlass angewiesen. Andere Vereine profitieren nicht. Die Black Stars, die im Buschweilerhof trainieren, zahlen sowieso keine Platzmiete, sind dafür aber für den ganzen Unterhalt der Anlage zuständig.

Im Landkanton gibt es einen solchen Erlass nicht. Fussballvereine wie der SV Muttenz zahlen weiterhin ihrer Gemeinde eine Abgabe für den Platz. «Ein Erlass wäre auf jeden Fall wünschenswert», sagt Präsident Hans-Beat Rohr. Er werde diesbezüglich mit der Gemeinde das Gespräch suchen.

Die Hobbyfussballer vermissen sozialen Kontakt

Andrea Imhof, Präsidentin FFC Therwil

Andrea Imhof, Präsidentin FFC Therwil

FFC Therwil

Die grösste Sorge der vielen Hobbykicker ist nicht finanzieller Natur. Sie beklagen den fehlenden Kontakt mit den Teamkollegen. Das gemeinsame Bier nach dem Sport im Klubhaus, der Austausch in der Garderobe oder das Plaudern beim Einlaufen. All das sind elementare Bestandteile des Vereinslebens. Dominik Tanner, Präsident des FC Rheinfelden, erklärt: «Die Mannschaftsstimmung und das Zusammengehörigkeitsgefühl leiden richtig.» Auch Andrea Imhof vom FFC Therwil sagt: «Der persönliche Kontakt zu den Spielerinnen fehlt.» Deswegen hoffen die beiden, wie Tausende anderer Hobbykicker in der Region auch, das die fussballfreie Zeit bald zu Ende ist.