Bogenschiessen
Im Einklang mit Pfeil und Bogen: Riehener Bogenschützin will nach Tokio

Olga Fusek gehört zu den besten Bogenschützinnen des Landes. Und das obwohl sie erst spät und unverhofft mit der Sportart anfing. Nach mehreren Titeln an Schweizer Meisterschaften strebt sie nun nach mehr.

Simon Leser
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Olga Fusek hat die Zielscheibe fest im Visier.

Olga Fusek hat die Zielscheibe fest im Visier.

Kenneth Nars

Der Bogenschiessplatz in Riehen befindet sich für Olga Fusek direkt vor ihrer Haustüre, der Blick lediglich erschwert durch Bäume. Doch in ihrer Kindheit wusste sie nichts von ihrem Glück. Immer wieder fragte sie sich mit ihren Eltern, welche Bedeutung die aufgestellten Scheiben hätten. Auf Bogenschiessen kamen sie nicht. «Das ist fast ein bisschen peinlich», sagt die 21-Jährige und lacht. Ihr Unwissen änderte sich erst, als sie den Entscheid fasste, sich für einen Schnupperkurs in dieser Sportart anzumelden. Nach einer Internetrecherche stiess sie auf den Verein Juventas Basel, den Verein vor ihrer Haustüre. Karl Mays Winnetou-Bücher hatten sie derart fasziniert, dass sie es ausprobieren wollte. «Dabei war ich ein absoluter Sportmuffel», erzählt Fusek.

Als sie bei garstigem Wetter in Riehen ihre ersten Versuche mit Pfeil und Bogen unternahm, war sie 14. Nun, sieben Jahre später, gehört sie zu den besten Bogenschützinnen des Landes. «Gehe ich an Schweizer Meisterschaften, erwarte ich den Titel», sagt sie selbstbewusst. Den Titel in der Elite hat sie in den letzten beiden Jahren tatsächlich geholt. Jetzt will sie einen Schritt weiter: an die Olympischen Spiele in Tokio.

Eine unsichere Hand hat grösstmögliche Folgen

Dafür nimmt sie bis zu sechsmal in der Woche ihren Olympiabogen, der mit einem Zuggewicht von 20 Kilogramm ausgestattet ist, legt ihn sich geschmeidig an den Körper und lässt den Pfeil blitzartig los. Von blossem Auge kaum zu sehen, durchlöchert er nach einer Entfernung von 70 Metern das Scheibenblatt. Im Idealfall landet er im kleinsten Kreis in der Mitte der Scheibe, dem sogenannten Innenzehner.

Dazu kommen Kraft- und Mentaltraining. «Es steht dir keiner im Weg, einen Zehner zu schiessen. Nur du selbst», sagt Fusek. Eine unsichere Hand oder ein Abrutschen des Bogens haben grösstmögliche Folgen. «Nervosität muss nicht zwangsläufig etwas ausmachen, wenn du weisst, wie damit umzugehen ist.» Ist sie im Wettkampf unruhig, achtet sie darauf, wie sie den Bogen in der Hand spürt. Sie sucht die innere Ruhe, trotz äusserer Anspannung.

Olga Fuseks Erfolgszug im Bogenschiessen führte sie schnell ins Nationalkader. Ihr Trainer kennt ihr Erfolgsrezept: «Sie hat schon immer mehr gemacht als andere. Durch ihren Fleiss sticht sie heraus», lobt Adrian Faber. Dabei warf sie vor zwei Jahren eine Operation an der Schulter zurück, verdonnerte sie zuerst zu einer Pause und dann zu mühseliger Aufbauarbeit, in der sie auf den Anfängerbogen zurückgreifen musste. Die Folgen spürt sie bis heute: «Ich merke, dass ich nicht die Konstanz im Hinterkopf habe wie andere, die seit zehn Jahren trainieren.»

Manche müssen wegen Geldproblemen aussetzen

Arbeit blüht Fusek, die sich an der Fachhochschule zur Primarlehrerin ausbilden lässt, auch beim Auftreiben der Finanzen. Bogenschiessen geniesst nur beschränkte Unterstützung. Kadertrainings und Weltcup-Anlässe muss sie selbst bezahlen. Sie erhält zwar Geld vom Basler Sportamt und der Gemeinde Riehen, ist aber auch auf selbstlancierte Crowdfundingkampagnen angewiesen. «Es gibt Schweizer Bogenschützen, die mal einen Weltcup auslassen müssen, weil sie das Geld nicht haben. Das sollte in unserem Land nicht sein», ärgert sich Fusek, relativiert aber sogleich: «Schaust du dich genug nach Unterstützung um, stösst du auf offene Ohren.» Sie habe es so bisher immer geschafft.

Die 21-Jährige nimmt für ihren Traum finanziell einiges in Kauf.

Die 21-Jährige nimmt für ihren Traum finanziell einiges in Kauf.

Kenneth Nars

Die nächste Stufe auf ihrer Karriereleiter soll Olympia sein. Die Mission, sie ist keine einfache. Die Schweiz hat noch keinen Quotenplatz. Ein solcher wäre der Eintritt ins olympische Abenteuer: für die Schweiz, aber nicht zwangsläufig für Olga Fusek. «Wenn eine andere Schweizerin bessere Punktzahlen aufweist, geht sie nach Tokio. Auch wenn ich den Quotenplatz erschossen habe», erklärt sie. So kann es sein, dass die Riehenerin bei einem Turnier mit garstigem Wetter antritt, ihre interne Konkurrentin aber bei Sonnenschein. Die Punktzahl der Letzteren wird mit hoher Wahrscheinlichkeit besser sein. Es zeigt: Im Bogenschiessen ist nicht alles beeinflussbar, auch wenn die eigene Leistung stimmt.

Dennoch sind ihre Chancen noch intakt. «Olympia ist das kurzfristige Ziel, das wir uns gesteckt haben», sagt ihr Trainer. Dafür nimmt Olga Fusek auch weite Wege zu Turnieren in Guatemala in Kauf. «Eine Teilnahme wäre eine grosse Bestätigung. Ich könnte allen, die bei Hagel oder Regen immer hinter mir standen, etwas zurückgeben», erklärt sie. Und so würde sie acht Jahre nach dem Schnuppertag auf einem Schiessplatz in Tokio stehen. Karl May und einer Internetrecherche sei Dank.