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Menia Bentele ist frisch gebackene U20-Vize-Europameisterin im Beachvolleyball. Die Riehenerin verbringt aber mehr Zeit im Zug als im Sand.
Als Menia Bentele am Montagnachmittag am Bahnhof SBB nichts ahnend aus dem Zug steigt, macht die Riehenerin plötzlich grosse Augen. Statt den gewohnten Pendlermassen erwartet sie auf dem Perron eine Gruppe jubelnder Menschen mit Schweizerfahnen. Es sind Freunde und Familie der Nachwuchs-Beachvolleyballerin. Der Grund: Im Gepäck hat die 18-Jährige eine Silbermedaille von der U20-Europameisterschaft im tschechischen Brno.
Dass Bentele ihren bisher grössten Karriereerfolg ausgerechnet am Bahnhof mit ihren Liebsten feiert, macht irgendwie Sinn – hat dieser sich doch zu einer Art zweiten Heimat für die junge Beachvolleyballerin entwickelt. «Wenn ich ausrechne, wie viel Zeit ich am Bahnhof und im Zug verbringe, dann ist das am Ende fast mehr, als ich auf dem Feld stehe», sagt sie.
Und das will etwas heissen: Denn Bentele trainiert täglich. Manchmal sogar mehrfach. Insgesamt zehn Trainingseinheiten pro Woche absolviert die Riehenerin im Kraftraum und im Sand. Dafür pendelt sie zwischen Bern, Aarau, Aarburg und der Region Basel. Dazu kommen nationale Turniere in der ganzen Schweiz. Für ihren Sport muss Bentele grosse Opfer bringen, was sie jedoch gerne tut: «Ich mache momentan meine Matura, da kann ich die Zeit im Zug gut zum Lernen nutzen. Manchmal tut es mir aber auch gut, einfach nichts zu tun und abzuschalten, dazu kommt man bei den ganzen Eindrücken, die man durch den Tag sammelt viel zu selten», erzählt sie.
Um Sport, Schule und Sozialleben unter einen Hut zu bringen, muss die 18-Jährige gut planen. «Ohne Prioritätensetzen geht es nicht», sagt sie. Logisch, bleibt da auch einmal etwas auf der Strecke: «Leider ist das nicht selten die Schule», sagt Bentele und lacht. Jedoch profitiere sie sehr vom Verständnis, das man ihr in der Sportklasse am Gymnasium Bäumlihof entgegenbringt.
Hat Bentele ihren Abschluss dereinst in der Tasche, ist klar: Vollzeit-Studentin wird sie nicht. Die Riehenerin strebt eine Profikarriere an. «Das ist mein ganz grosser Traum. Den will ich wahr machen und dafür gebe ich alles», sagt sie. Im A-Kader von Swiss Volley gibt es momentan zwei Damenteams. Sie sind alle Vollprofis, studieren teilweise nebenbei. Die besten Schweizer Beachvolleyballerinnen reisen für Turniere rund um den Globus. «Dann treffen wir uns hoffentlich irgendwann für ein Interview am Flughafen statt am Bahnhof», scherzt die 1,81 Meter grosse Frohnatur.
Doch hat Bentele das Zeug zum Profi? Ja, meint ihre langjährige Trainerin Dori Hebeisen: «Menia hat alles, was es braucht: Talent, Biss und Opferbereitschaft. Das zeigt sich etwa darin, dass sie nach dem Lockdown besser war als vorher. Das schaffen nur die wenigsten.» Als Trainings verunmöglicht wurden, improvisierte Bentele und arbeitete täglich stundenlang an ihrer Ballkontrolle – indem sie zuhause gegen die Wand spielte.
Ihr Arbeitseifer sei, so Hebeisen, auch der Grund für ihren jüngsten Erfolg an der EM. Im Vorjahr noch im Achtelfinal ausgeschieden, reichte es in Tschechien nun für den grossen Wurf: eine Medaille. «Es ist ein wahnsinniges Gefühl, wenn sich plötzlich all die Emotionen aus dem Turnier und die ganze Arbeit auf dem Weg dorthin in einer Medaille spiegeln», schwärmt Bentele.
In Brno spielte sie sich mit der Bernerin Annik Stähli bis in den Final vor, wo sie dann dem lettischen Duo unterlegen waren. Das Kuriose: Eigentlich sind Bentele und Stähli kein Team. Sie wurden lediglich vom Verband zusammen selektioniert, weil ihre jeweiligen Partnerinnen bereits über 20 Jahre alt sind. «Wir kannten uns aber schon aus der Trainingsgruppe von Swiss Volley, da brauchte es also keine enorme Angewöhnung mehr», sagt Bentele.
Der U20-EM-Final war Benteles bisher grösstes Spiel. Geht alles nach Plan, folgen in ihrer Karriere bald weitere, grössere Highlights. Trotzdem war die junge Riehenerin vor dem besonderen Tag nervös. «Geschlafen habe ich aber tief und fest, das ist bei mir ohnehin nie ein Problem», sagt sie, lacht herzhaft und verabschiedet sich – um ihren Zug zu erwischen.