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In einer dramatischen Partie kommen die Birsfelder Basketballer in Boncourt zu einem 70:62-Sieg, für den sie fünf Zusatzminuten benötigen. Damit befindet sich die Mannschaft von Cheftrainer Dragan Andrejevic auf Playoff-Kurs. Und beweist - allen Widerständen zum Trotz - Charakter, Stolz und Kampfwillen.
Einst war «Le Chaudron» - der Dampfkessel -, wie die «Salle sportive» in Boncourt im Volksmund genannt wird, eine uneinnehmbare Festung. 1000 und mehr Zuschauer verwandelten dieses 1700-Seelen-Dorf in einen Hexenkessel. Diese Zeiten sind vorbei.
Aber Auswärtspartien bei den «Red Devils», wie der BC Boncourt von seinen Anhängern genannt wird, sind heikel. Ein kleines Spielfeld - wer Schuhgrösse 47 hat, kann von der Seite keine Dreier werfen, da er dann entweder im Aus oder auf dem Wurfkreis steht - und düsteres Licht sind, nebst der obligaten Heimstärke des BCB, Hindernisse, die nicht leicht zu überwinden sind.
Am Samstag zeigten die Unterbaselbieter ein superbes erstes Viertel. Nach neun Minuten führten sie mit 22:11 und beherrschten Boncourt in allen Bereichen. Doch weil die «Wings» nur noch über sieben Kaderspieler verfügen - davon drei Schweizer Akteure - und Trainer Andrejevic fleissig rotieren muss, konnte der Gastgeber den Rückstand sukzessive verringern. Und in den letzten fünf Minuten schwanden beim Gast von der Hafenstadt zusehends die Kräfte. Es rächte sich. Denn mit der Endsirene gelang Julien Wälti mit einem frechen Dreipunktewurf der Ausgleich. Just dieser Wälti, der vor einem halben Jahr vom B-Ligisten Morges in den Jura gezogen war, weil die Nationalliga-B-Meisterschaft wegen Corona ruht.
Und als Wälti mit Wiederbeginn gleich eine weitere «Bombe» - einen Dreier – zum 60:57 für das Heimteam erzielte, glaubte man, dass es zur dritten Saison-Niederlage gegen die Jurassier kommen würde. Aber diese so arg dezimierte Equipe aus Birsfelden hat Charakter, Stolz und Wille. Corona, langwierige Verletzungen (Kostic, Vranic) und Rücktritte (Fasnacht, Fuchs) haben dazu geführt, dass das Aushängeschild der Deutschschweiz noch näher zusammengerückt ist. Und angeführt wird diese Mannschaft von einem Mann, der schlicht in einer eigenen Liga spielt. Sein Name? Deondre Burns. Ein 24-jähriger Rookie, der aus einer der vielen namenlosen amerikanischen Universitäten (Oral Roberts University) zu seiner europäischen Karriere aufgebrochen ist. Der smarte, 190 Zentimeter grosse Spielmacher musste bei der Ankunft zuerst in Quarantäne, danach verletzte er sich in Lugano, so dass er drei Meisterschaftspartien verpasste. Welche die Starwings natürlich alle verloren.
Gegen Boncourt lief Burns von der 37. bis zur 40. Minute auf dem Zahnfleisch. Er verwarf einige «offene» Würfe, auch zwei Freiwürfe, und verzettelte sich zwei Mal. Doch in der Verlängerung war Burns magistral. Vid Milenkovic und Sébastien Davet machten aus dem 60:57 ein 60:62. Danach war «Showtime» angesagt. Burns führte den Ball, dirigierte, verteidigte, reboundete und erzielte die letzten acht Zähler in Eigenregie. Vier von der Freiwurflinie aus, einmal mit einem sicheren Fünfmeter-Wurf, zuletzt mit einer einer Bewegung zum Korb, welche Dynamik, Eleganz und perfekte Motorik vereinen. Ein Genuss für Basket-Ästheten.
Am Ende des Spiels hatte Burns fast so viele Punkte wie der Rest seiner Teamkollegen auf seinem Konto und mehr Punkte als die drei renommierten Boncourt-Profis Nemanja Calasan (ex-Starwings), Milos Jankovic und Devin Cooper, der sonst seine 25 bis 30 Punkte wirft. Dass Burns seit Samstagabend der neue Liga-Topskorer ist, obwohl er weniger Partien als seine Verfolger aufweist, sei auch noch gesagt.
Natürlich hatte es auch Mängel im Starwings-Spiel. Nathan Krill ruft sein immenses Potenzial weiterhin nicht ab. Milon Matthew ist der beste Distanzwerfer der Liga, verzettelt sich aber in Aktionen, die zu Ballverlusten führen. Und Cheik Sane hat die Fähigkeit, dass er den Ball trotz 207 Zentimetern nicht in den Korb bringt. Der Senegalese holt zwar Rebounds, aber für die Nationalliga A ist er schlicht zu leichtgewichtig.
Cheftrainer Dragan Andrejevic ist der sechste Mann während der Partie, der aktiv mitspielt. Der charismatische Serbe mit Vergangenheit in der Schweiz (bei Traditionsklub Vevey), der auch schon den Nachwuchs des Weltklubs FC Bayern München trainiert hat und in der 1. Bundesliga bei Bayreuth tätig war, ist impulsiv. Er mag sehr laut werden, aber er sagte nach der Endsirene mit Stolz: «I have an amazing team.» Und auf Deutsch ergänzte er: «Was diese Jungs leisten, ist schlichtweg phänomenal. Von allem haben wir am wenigsten, aber wir haben das grösste Herz, die grösste Leidenschaft, den grössten Willen. Ich verbeuge mich vor ihnen.»
In der Tat haben die Starwings in den letzten fünf Wochen in Monthey, zwei Mal gegen Neuenburg (auch auswärts) und jetzt in Boncourt gewonnen. Dazwischen haben sie auch das «Grande Lugano» im Schweizer Cup bezwungen und eliminiert. Für die Playoffs fehlt noch ein Heimsieg gegen Nyon oder zwei weitere Erfolge, oder halt Niederlagen Nyons. Als Zückerchen steht am 7. April das Halbfinale in der Sporthalle Birsfelden gegen Fribourg Olympic an. Eine «mission impossible». Aber wenn für einmal alle Akteure auf dem Top-Level von Burns sind, ist Träumen bekanntlich erlaubt.
Man wünscht sich, dass es den Starwings-Verantwortlichen gelingt, diese Mannschaft zu halten. Vor allem die Schweizer Akteure, denn alle – auch der erst 20-jährige Luzerner Safet Haile – haben ein enormes Potenzial. Und Deondre Burns hätte es verdient, seine Klasse vor vielen Zuschauern zeigen, teils zelebrieren, zu können.
Vor sechs Jahren führte ein gewisser Chris Jones ebenso Regie wie Burns, warf aber weniger Punkte. Jetzt rockt Jones die EuroLeague - die Champions League des Basketballs - bei Maccabi Tel Aviv. Deondre Burns ist auf seinen Spuren. Und er hätte wohl auch den «Dampfkessel» zu Boncourt zum Löschen gebracht. Etwas, das bis dato nur ganz wenigen Basketballern gelang. Im Livestream des BC Boncourt fanden die beiden Reporter, sonst glühende Tifosi des BCB, keine Superlativen mehr für «Mister Burns», wie sie ehrfurchtsvoll durch den Äther sagten.
Salle Sportive. - keine Zuschauer. - SR: Marmy/Tagliabue/Demierre.
Boncourt: Cooper (13 Punkte), Seylan (2), Juraj Kozic (21), Calasan (7), Jankovic (7): Savon, Wälti (12), Petar Kozic; Rentsch, Sollberger.
Starwings: Burns (31 Punkte), Milenkovic (13), Davet (5), Krill (7), Sane (2); Milon (8), Haile (4); Pausa, Weibel.
Bemerkungen: Boncourt ohne Fongué (verletzt). – Starwings ohne Captain Kostic, Vranic (beide verletzt) und Fasnacht (Schule). - Viertelsresultate: 14:22, 17:15 (31:36); 12:12 (43:48) und 14:8 (57:57); 5:13 (62:70). - Mit fünf Fouls ausgeschieden: 45. Cooper. - Fouls: Boncourt 21, Starwings 20. - Zu den besten Spielern wurden gewählt: Juraj Kozic und Burns.