Warten auf Beispiele und neue Ansätze: Wie weiter mit sportlichen Grossanlässen in der Schweiz nach dem x-ten Nein zu Olympia?
Zumindest ein Fazit bleibt unbestritten. «Für 2030 wird es sicher keine Schweizer Kandidatur geben», sagt Roger Schnegg, der Direktor von Swiss Olympic, als Konsequenz aus der am Walliser Volksentscheid gescheiterten Bewerbung für Olympische Winterspiele 2026. Man warte jetzt zuerst ein Beispiel ab, dass die «Agenda 2020» des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in der Praxis funktioniere.
Diese Rückkehr zu Bescheidenheit und Nachhaltigkeit bei der Durchführung der Spiele erhofft sich Schnegg für 2026. Dort sind mit Stockholm und Mailand nur noch zwei Bewerber im Rennen. «Die Schweizer Bevölkerung will diesen Tatbeweis sehen, bevor ein weiterer Anlauf Sinn macht», sagt Schnegg.
Der Direktor des Dachverbandes für Sport diskutierte am Sport Forum Schweiz im Kultur- und Kongresszentrum Luzern in einer Viererrunde über die Frage, welche Auswirkungen das wiederholte Scheitern für künftige Grossveranstaltungen im Land haben wird. Bleiben Olympische Spiele in der Schweiz gar eine ewige Illusion?
Das Nein der Walliser war der 48. vergebliche Anlauf auf eine Fortsetzung der olympischen Geschichte in der Schweiz. 1948 fanden in St. Moritz zum letzten Mal Winterspiele statt. «Das Analysieren einer Niederlage ist längst ein Dauerzustand geworden», sagt Schnegg. Zu einer Katerstimmung führe dies aber bestimmt nicht. «Jede Bewerbung hat letztlich einen Prozess ausgelöst, von dem der Schweizer Sport profitiert hat», sagt Schnegg.
Beim Walliser Nein dürften neben den Kosten, dem befürchteten Gigantismus und der Umwelt lokale Begebenheiten mitgespielt haben – etwa die Rolle von FC-Sion-Präsident Christian Constantin oder das Auftauchen des ursprünglichen OK-Präsidenten Jean-Philippe Rochat in den Panama-Papers. «Dazu haben die grossen Sportorganisationen IOC und Fifa in der Bevölkerung einen schlechten Ruf. Das hilft nicht, eine Bewerbung durchzubringen.»
Matthias Remund, Direktor des Bundesamts für Sport, ist überzeugt, «dass dies nicht die letzte Schweizer Olympia-Bewerbung war». Er sagt, im Wallis sei eine Riesenchance verpasst worden. «Denn Olympische Spiele bewegen auch heute noch Massen.»
Für Felix Frei, CEO des Zürcher Hallenstadions, ist wichtig, dass die Schweiz auch in Zukunft regelmässig Grossanlässe wie zuletzt die Leichtathletik-EM und die Mountainbike-WM und in naher Zukunft die Eishockey-WM, die Jugend-Olympiade oder die Universiade durchführen wird. Die Sportstätten würden davon profitieren und laufend modernisiert. «Ohne regelmässige Sportevents gerät auch die Infrastruktur ins Hintertreffen.» Olympische Spiele hingegen seien «für den Moment gegessen.»
Sportvermarkter Stefan Klos, der mit seiner Firma «Proprojekt» mehrere Bewerbungen für Olympische Spiele und Fussball-Weltmeisterschaften begleitet hat, gibt zu bedenken, dass das Nein zu Sion 2026 kein Schweizer Phänomen ist. «Diese Woche hat die Bevölkerung inCalgary Nein gesagt. Es war die achte ablehnende Volksabstimmung zu Olympia in Folge. Und alle fanden in etablierten Wintersportnationen statt.» Es sei ein Phänomen, dass das Konsumprodukt Olympische Spiele an den gleichen Orten «lebendiger denn je ist».
Klos kritisiert die Organisatoren. Man habe viel zu lange eine Kosten- anstatt eine Nutzendiskussion geführt. «Es entspricht halt unserer Mentalität, zuerst einmal das Finanzielle auszurechnen. Damit gerät man von Anfang an in die Defensive.» Der Deutsche rügt auch das IOC, das mit seinen «wenig glücklichen Standortentscheiden» für Olympische Spiele mitschuldig an den Abstimmungsniederlagen sei. «Es wird noch Jahre dauern, dies wieder auszubügeln.»
Für eine nächste Bewerbung wünscht er sich, dass man den gesellschaftlichen Aspekt und nicht die technische Perspektive in den Vordergrund stellt: «Warum wollen wir das und nicht wie machen wir es. Damit eine Abstimmung gewonnen werden kann, muss zuerst in der Gesellschaft ein Konsens herrschen.»
Roger Schnegg pflichtet dem Deutschen bei. Er hat in diesem Herbst einen neuen Ansatz miterleben dürfen, der ihn beeindruckt hat: «Die Olympischen Jugendspiele in Buenos Aires waren als riesiges Volksfest konzipiert. Ein Festival, auf dem anstatt Musiker Sportler auftraten.» Man sei mit den Wettkämpfen in die Stadtparks zu den Menschen gegangen und habe dort eine Party zelebriert. «Allein an der Eröffnungsfeier waren 250 000 Leute», sagt Schnegg, «das Erlebnis war sensationell.»