Globall - In loser Folge berichten wir von Schweizer Fussballern, die teilweise an exotischen Orten ihr Geld verdienen. Heute: Ein junger Schweizer Trainer betreut das Freiburger U19-Team und geniesst den Stellenwert des Fussballs in Deutschland.
Er dirigiert, er demonstriert, er gestikuliert und er korrigiert – Thomas Stamm steht während anderthalb Stunden unter Strom. Dabei tut er nichts anderes, als seinen Jungs vorzuleben, was er von ihnen auf dem Fussballplatz erwartet: dominant und vor allem nie passiv sein. «Das ist meine Philosophie», sagt der Trainer der U19-Junioren des SC Freiburg, «so habe ich auch beim FC Winterthur gearbeitet.» Drei Jahre lang hat er dort die U18 trainiert, bis er im vergangenen Sommer den Schritt gewagt und beim Sportclub einen Zweijahresvertrag unterschrieben hat.
Es hat ihn etwas geschmerzt, dass er deshalb seine Funktion als Assistent von Yves Débonnaire bei der Schweizer U15-Nati aufgeben musste. Doch der Reiz, im Weltmeisterland Cheftrainer im Nachwuchsspitzenfussball zu werden, ist zu gross gewesen, um das Angebot auszuschlagen.
Die Jungen auf die grosse Bühne schicken
«Bei Testspielen mit der U18 von Winterthur gegen Freiburg hat sich vor einigen Jahren der erste Kontakt ergeben», sagt Stamm, der eine erste Anfrage noch hatte ablehnen müssen, weil er bei Winterthur noch unter Vertrag stand. «Es ging ein langer Austausch voraus», sagt der 32-Jährige, der aus Schleitheim im Kanton Schaffhausen stammt, und dem es wichtig ist, dass er nicht Spieler «für die Katz» ausbildet, sondern solche, die auch mal eine echte Chance bekommen, sich für die erste Mannschaft zu empfehlen.
Dass dies in Freiburg der Fall ist wie nur bei wenigen Klubs auf diesem Level, ist bekannt. Beim 1:1 gegen Bayern München vor gut zwei Jahren standen acht Spieler auf dem Platz, die ihre Ausbildung im Möslestadion absolviert hatten. Der frühere Heimplatz des Freiburger FC wurde im Jahr 2000 für zwölf Millionen Euro umgebaut und ist seither die Heimat des Leistungszentrums. Benützt von der U13 bis zur U23.
In der Schweiz hat Fussball einen tieferen Stellenwert
«Ich fühle mich wohl hier», sagt Stamm, der 124 Spiele für Winterthur und Schaffhausen absolvierte und der wegen eines Knorpelschadens seine Laufbahn im Alter von 27 Jahren aufgeben musste.
Ihm ist aufgefallen, dass der Fussball ennet der Grenze einen deutlich höheren Stellenwert als in der Schweiz hat, auch bei den Jungen. «Es ist ein sehr fokussiertes Arbeiten», sagt Stamm, der vier Spielern aus seinem Team zutraut, später den Sprung in die erste Mannschaft zu schaffen. Dies geschieht zumeist via die U23-Equipe, welche in der Regionalliga spielt.
Spieler wie Matthias Ginter, die direkt von der U19 ins Fanionteam hochgezogen wurden, sind die grosse Ausnahme. Stamm schätzt den engen Kontakt zwischen der Fussballschule und dem Profibereich und auch zu Christian Streich, dem Cheftrainer des Leaders der 2. Bundesliga, der einen Steinwurf entfernt im Schwarzwaldstadion sein Domizil hat. Dazu gehört, dass jeder Juniorentrainer einmal im Jahr während einer Woche beim Profiteam hineinschauen darf.
Sechs Trainings sind Pflicht
Es sind bisweilen lange Tage, die Stamm im Möslestadion verbringt. Da ist es gut, dass er nur acht Velominuten entfernt eine Wohnung gefunden und sich dabei gegen mehr als hundert Mitbewerber durchsetzen konnte. Ideal ist auch, dass seine Freundin in Basel einen Job gefunden hat und mit ihm zusammen in Freiburg leben kann. «Freiburg ist eine sehr angenehme Stadt», sagt Stamm.
Das Trainingszentrum lässt keine Wünsche offen, die Gaststätte sorgt drei Mal am Tag für die Verpflegung. Angeboten werden acht Trainings pro Woche, mindestens sechs davon müssen besucht werden, diejenigen mit der Mannschaft sind obligatorisch. «Unser Trainer findet eine gute Mischung zwischen seriöser Arbeit und Spass», sagt Innenverteidiger Fabian Rüdin.
Konkretes Ziel: Ligaerhalt
Vier von Stamms Spielern sind im Internat untergebracht, drei bilden in der anliegenden Wohnung eine WG, zwei weitere wohnen bei Gastfamilien und die übrigen zu Hause. Die Ausbildung ist dual: Neben der fussballerischen Ausbildung machen alle einen Schulabschluss. «Wer in der Schule fehlt, darf nicht trainieren», sagt Stamm.
Zwar steht im Leitbild der Freiburger Fussballschule, dass die individuelle Ausbildung vor dem Tabellenplatz komme, doch den Platz in der Bundesliga Süd/Südwest wollen die Breisgauer unbedingt behalten. Ein Sieg heute am Sonntagnachmittag in Darmstadt würde guttun; Freiburg, das gegen Bayern München 1:1 spielte, steht an elfter Stelle, drei von vierzehn Mannschaften steigen ab. Stamm kennt keine Zweifel, dass seine immer spielstärker werdenden Jungs den Ligaerhalt schaffen.