Wahlniederlage im Verband
Die Abwahl einer Fechtikone nach 29 Jahren: Zum Abschied eine Abfuhr anstatt Blumen

Gabriel Nigon hat den Schweizer Fechtverband geprägt wie kein anderer. Als Dank wurde der 65-Jährige von seinen Kritikern abgestraft.

Rainer Sommerhalder
Drucken
Der Basler Rechtsanwalt Gabriel Nigon muss den Platz im Vorstand des Schweizer Fechtverbands nach 29 Jahren unfreiwillig räumen.

Der Basler Rechtsanwalt Gabriel Nigon muss den Platz im Vorstand des Schweizer Fechtverbands nach 29 Jahren unfreiwillig räumen.

Nicole Nars-Zimmer (niz) / BLZ

Im Grunde war es eine Punktlandung. Und eigentlich entsprach es dem Plan. Just einen Monat nach dem Erreichen des theoretischen Pensionsalters beendete der Basler Gabriel Nigon seine eindrückliche Vorstandskarriere im Fechtverband.

Zählt man die Zeit als Aktiver in der Nationalmannschaft dazu, so prägte der Rechtsanwalt den Schweizer Fechtsport mehr als 40 Jahre lang an vorderster Front. Zweifacher Silbermedaillengewinner an Weltmeisterschaften und Olympiateilnehmer 1984 in Los Angeles war er als Athlet. Danach als Spitzensportchef massgeblicher Mastermind hinter dem goldenen Zeitalter der Schweizer Degenfechter. Viermal leitete er die Olympiadelegation.

Doch das Ende entsprach nicht der Regieanweisung eines Hollywood-Drehbuchs. Anstatt Standing Ovations und einen Blumenstrauss erhielt Gabriel Nigon an der virtuellen Generalversammlung vor einer Woche eine regelrechte Abfuhr.

Er verfehlte die Wiederwahl, die entgegen seiner ursprünglichen Absichten nur zur Debatte stand, weil der 65-Jährige die gewünschte Fecht-Europameisterschaft 2023 in Basel im Auftrag von Swiss Fencing als Cheforganisator durchführen soll. Quasi als unverhofftes Abschlusswerk seines Wirkens.

Letzter Auftritt als OK-Chef der Europameisterschaft

Nigon gibt zu, dass die Abwahl «weh tat». Dem Fecht-Grossanlass in seiner Heimatstadt, falls er denn im Herbst tatsächlich wie geplant der Schweiz zugesprochen wird, will er auch ausserhalb des Vorstands treu bleiben. Einfach hinschmeissen ist nicht seine Art.

Als sein Vermächtnis sieht er die EM aber keinesfalls. Als verspätetes Abschiedsgeschenk für sein Wirken käme da schon eher als Teamchef eine Olympiamedaille in Tokio für die persönliche Genugtuung infrage. Quasi als letztes Zeichen, dass seine Arbeit doch nicht so falsch und schlecht war, wie man angesichts einer Abwahl deuten könnte.

Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Gabriel Nigon entstammt einer Fecht-Dynastie mit französisch-ostpreussischen Wurzeln. Der Grossvater, nach dem ersten Weltkrieg in die Schweiz gekommen, machte den Fechtsport als Maître in Basel zum Leistungssport. Sein Vater kämpfte für die französische Nationalmannschaft. Auch Gabriel Nigon übernahm sofort nach dem Ende der Aktivkarriere mit 28 Jahren Verantwortung als junger Präsident der Fechtgesellschaft Basel.

Zum Job als Chef Leistungssport im Verband wurde er berufen, nachdem Nigon eine überzeugende Analyse zum Zustand des Fechtsports nach der sportlichen Baisse rund um die Heim-WM in Lausanne verfasste. Seine Innovationen waren umstritten, der Weg am Anfang steinig. «Ich hatte viele Kritiker, man spürte auch alte Rivalitäten», sagt Nigon rückblickend. Die aus seiner Sicht kompetentesten Kritiker holte er mit ins Boot.

Diesmal wollte er die Kritiker nicht mit im Boot

Dieselbe Feststellung hätte der Jurist auch 29 Jahre später zur aktuellen Entwicklung von sich geben können. Doch wieso eckt Nigon, der smarte, sehr strukturierte und gewandte Mann derart an. Nigon sagt, im Fechtsport hätten vor allem viele Trainer die Weisheit mit Löffeln gefressen. Mit dem Selbstverständnis, genau zu wissen, wie es geht. «Und ich funktioniere wohl auch in dieser Art», meint er nicht ohne Selbstironie.

So zog der Basler seine Philosophie, die verschiedenen Fechtschulen aus Deutschland, Frankreich oder Italien mit der Nomination der einzelnen Nationaltrainer immer wieder zu kombinieren, konsequent durch. Gegen alle Widerstände, vor allem auch aus den Klubs.

Nigon vergleicht sein System mit dem Fussballclub Bayern München. Auch dort habe man stets darauf vertraut, grosse Fachkompetenz im Vereinsvorstand zu bündeln. Und bei der Auswahl der Trainer von Giovanni Trapattoni über Ottmar Hitzfeld, Louis von Gaal, Jupp Heynckes, Pep Guardiola bis hin zu Hansi Flick zur Weiterentwicklung immer wieder unterschiedliche Fussballmentalitäten einzubringen.

Die Kompromisslosigkeit Nigons mag eine wichtige Rolle bei seiner Abwahl gespielt haben. Etwa mit seinem Mail an alle Vereinspräsidenten vor der Generalversammlung, in welchem er einer Zusammenarbeit mit den angeblichen Reformern eine unmissverständliche Absage erteilte. Damit machte er sich für jene Kreise, die nach Änderungen im Verband dürsteten, unwählbar.

Nigon sagt selbst, Fechten sei ein Kampfsport und die Rivalität deswegen oft ausgeprägt. Schliesslich ging es bereits im Mittelalter in gesellschaftlichen Kreisen darum, den vermeintlichen Nebenbuhler zum Duell um die Ehre herauszufordern. «Im Sport gibt es keine Demokratie», sagt Nigon, «es zählt nur die Leistung». Mit seiner Darbietung im Auftrag des Fechtsports ist er im Reinen. Kritiker hin oder her.