Fusion
Übernahme: St.Galler Vifor Pharma wird australisch

Das Pharmaunternehmen Vifor mit Sitz in St.Gallen wird vom australischen Biotechkonzern CSL übernommen. Vifors Präparate gegen Eisenmangel, Nieren- und Herzerkrankungen ergänzen das CSL-Hauptgeschäft mit Blutplasmaprodukten. CSL hat in der Schweiz zwei Standorte im Kanton Bern.

Thomas Griesser Kym
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Beschäftigte der Vifor Pharma im Werk im Sittertobel.

Beschäftigte der Vifor Pharma im Werk im Sittertobel.

Bild: Tobias Garcia (St.Gallen, 30. November 2021)

Vor knapp zwei Wochen, Anfang Dezember 2021, tauchten erste Meldungen auf. Damals schrieb die Zeitung «The Australian» über Verhandlungen zwischen der St.Galler Vifor Pharma und dem australischen Biotechnologiekonzern CSL Limited über eine mögliche Übernahme Vifors durch die Australier.

Am Montag haben Vifor und CSL den Schleier ein wenig gelüftet. Beide Unternehmen haben in separaten Mitteilungen «Verhandlungen über eine mögliche Transaktion» bestätigt. Es seien noch «keine Entscheide» gefallen, und es gebe «keinen Zeitrahmen». Bis zum Abschluss der Gespräche würden diese nicht weiter kommentiert.

«Die Übernahme ist beschlossene Sache»

Doch nun geht es plötzlich schnell. Am Montagabend bestätigte eine Quelle aus dem Vifor-Umfeld gegenüber unserer Zeitung, dass «die Übernahme beschlossene Sache ist». Die Öffentlichkeit werde am Dienstag frühmorgens orientiert, noch bevor die Schweizer Börse SIX ihren Handel aufnimmt.

«The Australian» hatte für eine Übernahme Vifors zunächst einen Preis von über 10 Milliarden australische Dollar genannt. Das wären über 6,6 Milliarden Franken. Am Montag betrug die Marktkapitalisierung Vifors allerdings bereits 9,1 Milliarden Franken, nachdem die Aktie im Tagesverlauf des Handels an der SIX um 18 Prozent auf gut 140 Franken zugelegt hatte, befeuert von der Bestätigung der Übernahmegespräche.

Eines der grössten Unternehmen Australian

In einem weiteren Bericht des «Australian» hiess es, CSL dürfte im Zusammenhang mit der Vifor-Übernahme eine milliardenschwere Kapitalerhöhung zur Teilfinanzierung der Transaktion ankündigen.

CSL ist eines der grössten Unternehmen Australiens. Die Übernahme Vifors dürfte vor dem Hintergrund stattfinden, dass CSL versucht, Wachstum ausserhalb seines Kerngeschäfts mit Blutplasmaprodukten zu generieren und in neue Geschäftsfelder zu expandieren.

Euphorie seitens Analysten klingt anders

Die Nachrichtenagentur Reuters schrieb unter Berufung auf Analysten, eine Übernahme Vifors wäre die grösste Akquisition in der Geschichte von CSL und würde den Australiern Zugang zu Vifors Präparaten gegen Eisenmangel, Nierenerkrankungen und Herzinsuffizienz verschaffen sowie zu den Vifor-Produktionsstätten in der Schweiz und in Portugal. Auch seien die Überlappungen der Produktportfolios gering.

Analysten äusserten aber auch die Ansicht, ein Zusammenschluss würde keine grösseren Kosteneinsparungen bewirken, und Vifor sei bekannt für volatile Erträge. Zentrales Kriterium sei der Übernahmepreis. Falls CSL Vifor relativ günstig kaufen und dafür auch Eigenkapital einsetzen könnte, sehe man Vorteile.

CSL ist ungleich grösser als Vifor

Grösster Aktionär Vifors ist das Ehepaar Martin und Rosmarie Ebner mit einem Anteil von 20 Prozent. Investor Martin Ebner war einst bekannt geworden, indem er Aktiensparen für das breite Publikum propagierte und mit seiner jahrelangen Kritik an der UBS, die er prononciert an den Generalversammlungen der Grossbank vortrug.

2020 setzte Vifor mit 2429 Mitarbeitenden 1,7 Milliarden Franken um und wies ein Betriebsergebnis auf Stufe Ebitda von 576 Millionen Franken aus. Am Vifor-Standort St.Gallen sind 330 Mitarbeitende beschäftigt. CSL kam im Geschäftsjahr 2020/21 mit weltweit über 25'000 Beschäftigten auf einen Umsatz von 10,3 Milliarden US-Dollar und ein Betriebsergebnis von 3,1 Milliarden US-Dollar.

CSL ist in der Schweiz prominent präsent

Der Schweizer CSL-Standort CSL Behring im Berner Wankdorf.

Der Schweizer CSL-Standort CSL Behring im Berner Wankdorf.

Bild: PD

CSL hat mit der CSL Behring AG im Wankdorf in der Stadt Bern auch einen Schweizer Standort mit über 1750 Mitarbeitenden, an dem aus Humanplasma Biotherapeutika für Patienten mit Gerinnungsstörungen, immunologischen Erkrankungen, Enzymmangelerkrankungen usw. hergestellt werden sowie Biotherapeutika zum Stoppen von Blutungen bei Notfällen oder Operationen.

Gegenwärtig baut CSL Behring am Standort Bern die Produktionskapazität aus. Das Unternehmen investiert 250 Millionen Franken und will rund 50 neue Stellen schaffen. 2021 nahm CSL Behring zudem einen zusätzlichen Standort in Lengnau zwischen Biel und Solothurn in Betrieb, an dem im Endeffekt bis zu 300 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Vifor Pharma baut im Sittertobel ebenfalls aus

Kontinuierlich ausgebaut wird auch bei Vifor Pharma in St.Gallen. Am Standort im Sittertobel entsteht bis 2023 der Multicube. Dieser wird eine weitere Produktionslinie für den Wirkstoff des Eisenpräparats Ferinject beherbergen, aber auch freien Platz schaffen für künftige Projekte.

Ausbauprojekt der Vifor Pharma im Sittertobel.

Ausbauprojekt der Vifor Pharma im Sittertobel.

Bild: Tobias Garcia (St.Gallen, 30. November 2021)