Plattformindustrie
Der Traum vom grossen Schweizer Big-Tech-Unternehmen – es wird mit einem Jahresumsatz von 500 Millionen Franken gerechnet

Ringier und TX Group legen ihre digitalen Marktplätze zusammen. Es ist ein Deal mit vielen Fragezeichen.

Christian Mensch
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Ringier und TX Group legen ihre digitalen Plattformen zusammen. Ricardo, Tutti, Homegate, Car For You, ImmoScout24, AutoScout24, FinanceScout24, Anibis kommen unter ein Firmendach.

Ringier und TX Group legen ihre digitalen Plattformen zusammen. Ricardo, Tutti, Homegate, Car For You, ImmoScout24, AutoScout24, FinanceScout24, Anibis kommen unter ein Firmendach.

Bild: Chris Iseli

Wer eine Wohnung sucht, surft heute mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Homegate oder auf Immoscout. Wer künftig sucht, wird sich nach einer gewissen Anlaufzeit wohl auf eine der Plattformen beschränken können.

Denn die Medienkonzerne TX Group und Ringier, die Inhaber der Onlinebörsen, haben angekündigt, ihre digitalen Marktplätze in einem Joint Venture zusammenzulegen.

Es entsteht ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von wohl rund 500 Millionen Franken. Die genauen wirtschaftlichen Eckdaten wie auch der Name der Gesellschaft sind unter Verschluss. Es sind nicht die einzigen Geheimnisse, die das Joint Venture umranken.

Von einem sich anbahnenden Monopol will Ringier-Chef Marc Walder nichts wissen. Der Markt sei durch viele Anbieter «hoch kompetitiv». Der Prüfung der Wettbewerbskommission will sich die neue Firma dennoch nicht stellen.

Durch eine komplexe Struktur ohne dominierenden Partner wird eine Meldepflicht vermieden. Eine Prüfung, ob der Wettbewerb tatsächlich weiter spielt, findet damit nicht statt.

Von den Schweizer Konsumenten lässt sich noch mehr holen

Walder schwärmt dafür, mit dem Zusammenschluss erhalte die Schweiz eine Big-Tech-Firma. Er rückt die Gründung in die Nähe einer patriotischen Tat, denn «was wir tun, ist für die Schweiz etwas sehr Wichtiges.» Der designierte Konzernchef Gilles Despas streicht den Nutzen für die Konsumenten hervor; diese erhielten ein besseres Angebot.

Der deutsche Lothar Lang, der als unabhängiger Verwaltungsrat das Präsidium übernimmt, sagt, was er so attraktiv findet: «Die Schweiz ist ein reiches Land» und «die Aktionärskonstellation ist einmalig». Oder im Klartext: Die Wertschöpfung lässt sich deutlich steigern, wenn sich die wichtigsten Player in einem reichen Markt zusammentun.

Lange Verhandlungen in alle Richtungen

Die Verträge sind noch nicht unterzeichnet. Den Vorverträgen scheinen jedoch monatelange Verhandlungen vorausgegangen zu sein, in denen verschiedene Optionen und Konstellationen geprüft wurden. Gemäss Pietro Supino, dem Verwaltungsratspräsidenten der TX Group, stammen nun 59 Prozent der Assets der neuen Firma von Ringier und dessen Minderheitspartner Mobiliar, 41 Prozent bringe sein Konzern ein.

Gemäss neuestem Halbjahresbericht erzielte die TX Group mit ihren Marktplätzen einen Umsatz von gut 100 Millionen und einen satten Gewinn von 33 Millionen Franken. Unter der Annahme, dass Ringier sein Geschäft ähnlich erfolgreich aufgestellt hat, wird der neue Konzern folglich einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Franken und rund 150 Millionen Franken Gewinn ausweisen.

Bei einem Börsengang entsteht ein Milliardenunternehmen

Bei ähnlichen Deals wurde der Wert einer Plattform-Firma mit mindestens dem Vierfachen des Umsatzes gehandelt. Sollte das Joint Venture wie angekündigt eines Tages an die Börse gebracht werden, könnte eine Kapitalisierung von bis zu 2 Milliarden Franken resultieren.

Ganz so schweizerisch wie von Walder gelobt wird die Firma allerdings nicht sein. Denn mit einem Kapitalanteil von 10 Prozent beteiligt sich auch die auf Wachstumsmärkte spezialisierte US-Investmentgesellschaft General Atlantic. Sie erwirbt die Anteile von der TX Media, die dafür nach vorheriger Schätzung an die 200 Millionen Franken erwarten darf.

Mit den noch verbleibenden 31 Prozent an Kapitalrechten bleibt die TX Group grösste Einzelaktionärin der neuen Gesellschaft. Denn das Duo Ringier/Mobiliar teilt seinen 59-Prozent-Anteil paritätisch und tritt je als 29,5-Prozent-Aktionär auf.

Kapital- und Stimmrechte sind verschieden verteilt

Die Stimmrechte sind nochmals anders verteilt: Jeder der vier Partner halte 25 Prozent, erklärt Supino. Dass ausgerechnet der Finanzinvestor General Atlantic mehr Stimm- als Kapitalrechte ausweist, lässt sich zwar damit begründen, dass mit diesem Kniff die Wettbewerbshüter ins Leere laufen.

Möglich ist allerdings auch, dass die US-Investoren kompensatorisch frisches Kapital bereitstellen, wobei wiederum die Frage aufkommt, wofür solches benötigt würde.

Unklar ist auch, weshalb die TX Group Anteile verkauft und zusätzlich auf Einfluss verzichtet. Möglich wäre, dass nicht nur Ringier und Mobiliar, sondern auch TX Group und General Atlantic als Team verstanden werden müssten. Beide Teams hätten dann gleich viel Stimmrecht, auch wenn die TX Group weniger Assets einbringt.

Auf die Frage, weshalb ausgerechnet die heute gemeinsam von Ringier und TX Group betriebene Jobplattform nicht Teil der Firma wird, sagt Supino, die «Kohärenz» wäre sonst gefährdet. Was er damit meint, ist nicht die einzig verbleibende offene Frage.